Irland: 12 Punkte

Abstimmungen standen an diesem Wochenende im Vordergrund: Schweden gewann vor Russland in Wien den Eurovision Song Contest und in Irland stimmten 62 Prozent der Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule zu.

Damit schrieb das katholische Irland Geschichte: Als weltweit erstes Land stimmte das Volk an der Urne nicht der «Homo-Ehe», wie viele Zeitungen schrieben, sondern der Öffnung der Ehe zu – ein kleiner, aber in meinen Augen feiner Unterschied. Seit 2011 konnten in Irland Schwule und Lesben ihre Partnerschaften zwar «eintragen» lassen, waren aber in vielen Belangen – etwa bei den Sozialleistungen – benachteiligt. Die Ehe selber war in der 77 Jahre alten irischen Verfassung bisher als Bund zwischen Mann und Frau definiert.

Gegen die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben hatte sich vor allem – natürlich – die katholische Kirche eingesetzt. Nach der Abstimmung sind die irischen Regeln klar: Jeder hat ein Recht auf Religion, aber keine Religion hat das Recht, einem Land die Rechte zu diktieren.

Heimatland

Schöne Aussicht: Mein Heimatland erfüllt gerade 28 Prozent der Kriterien zur vollständigen rechtlichen Gleichstellung von LGBT-Menschen.

An dieser Stelle lohnt sich nun der Blick auf unsere Schweiz: Hier verlangt eine verunglückte Initiative der CVP, dass in unserer Verfassung die Ehe als Mann und Frau definiert wird. Und wie waren wir stolz, als das Stimmvolk 2005 als erste Land weltweit an der Urne die «Homo-Ehe», die eingetragene Partnerschaft einführte. Zehn Jahre später: Im katholischen Irland geht es vorwärts und in der Schweiz rückwärts. Dabei wollen wir doch keine Sonderrechte, sondern nur gleiche Rechte – wie eben die Öffnung der Ehe. Bereits haben weltweit 19 Staaten die Ehe geöffnet, in Europa sind es im Moment 13.

Der helvetische Trend rückwärts in Sachen LGBT-Rechte beweist auch der Blick auf das jährliche Länderranking der ILGA. Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich unser Land um vier Plätze verschlechtert – und erreicht nur noch Platz 31 von den 49 Ländern in Europa. Die Schweiz erfüllt gerade 28 Prozent der Kriterien zur vollständigen rechtlichen Gleichstellung von LGBT-Menschen. Damit ist die Schweiz nicht mal mehr «Mittelmass» und rutscht bedrohlich in die Nähe von Russland auf Platz 48 …

Gestern Abend hat das homo- und transphobe Russland fast den «schwulen» Eurovision Song Contest gewonnen. Gesiegt hat aber schlussendlich Schweden mit einem leckeren Kerlchen namens Måns Zelmerlöw, dem allerdings im Vorfeld des ESC homophobe Sprüche vorgeworfen wurden. So soll er im letzten Jahr in einer Kochshow im schwedischen Fernsehen gesagt haben, es sei «nicht natürlich für Männer, wenn sie miteinander schlafen», relativierte und hackte nach, dass daran zwar nichts Falsches sei, «aber natürlicher sei es selbstverständlich, wenn Männer und Frauen zusammen Kinder machten».

Und da hat er doch irgendwie sogar fast Recht: In der Regel bringen zwei Männer im gemeinsamen Liebestaumel keine Kinder zustande. Da braucht es andere Methoden – wie beispielsweise die Leihmutterschaft. Und damit sind wir wieder in der Schweiz gelandet.

Ein Männerpaar aus St. Gallen hatte ihren Kinderwunsche in den USA mit einer Leihmutter erfüllt. Und das Verwaltungsgericht in St. Gallen entschied wegweisend: es anerkannte die beiden Männer als Eltern an. Darauf hin ordnete das sankt-gallische Departement des Innern die Eintragung der beiden Väter im schweizerischen Personenregister an. Dagegen erhob aber das Bundesamt für Justiz beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen Beschwerde. Dieses wiederum hiess die Beschwerde teilweise gut, bestätigte aber die Anerkennung der beiden Männer als Väter. Diesen Entscheid zog das Bundesamt für Justiz ans Bundesgericht weiter. Und die höchste richterliche Instanz der Schweiz sagte nun NEIN und spricht dem Männerpaar die rechtmässige Elternschaft ab.

Dieser Entscheid des Bundesgerichts ist enttäuschend und widerspricht aktuell gelebten Familienmodellen. Immerhin wachsen in der Schweiz 30’000 Kinder in Regenbogenfamilien auf. Diese Kinder mit zwei Vätern oder zwei Müttern wachsen mit nur einem Elternteil im Pass auf. Das andere Elternteil ist juristisch inexistent.

Die vielen Baustellen auf dem Weg zur rechtlichen Gleichstellung sind endlich zu flicken. Dabei gibt es grundsätzlich nur eine Option: die bedingungslose Öffnung der Ehe und die Gewährung aller damit verbundenen Rechte. Jetzt! Ich gebe mich als schwuler Mann mit vielen Pflichten nicht (mehr) mit Sonderrechten zufrieden – ich will endlich die gleichen Rechte.