Willkommen im Mittelalter

Nach der hochsommerlichen Lethargie und Ferien an der Ostsee ist die Sonntagsschule ab heute wieder offen – und wir werfen einen Blick zurück ins Mittelalter, wo die Welt offenbar für Ewiggestrige noch in Ordnung wäre und gleichgeschlechtlich Liebende auf Scheiterhaufen brannten …

So will etwa die Stiftung ‹Zukunft CH› die «freiheitlich-demokratische Rechtsordnung» erhalten, die «schleichende Einführung der Scharia» verhindern und die «Familie als Grundpfeiler der Gesellschaft stärken» – und behauptet, dass Homosexualität eine «Entwicklungsstörung» sei.

Im Zusammenhang mit den verbalen Entgleisungen von Bischof Huonder fragt sich Dominik Lusser von ‹Zukunft CH› auf kath.net, ob eine sachliche Diskussion über Homosexualität in unserer Gesellschaft überhaupt noch erwünscht und möglich sei. Überall stünden nun, meint Lusser in seinem Kommentar, die Äusserungen von Bischof Huonder im Vordergrund – doch zum eigentlichen «Streitgegenstand, der Homosexualität, werde jede Diskussion verweigert».

Die Diskussion ob und wie viele Rechte LGBT-Menschen nun erhalten sollen, darf sicher geführt werden. Definitiv nicht akzeptierbar ist allerdings, Homosexualität als Entwicklungsstörung zu bezeichnen. Und da bringt sich Dominik Lusser gefährlich in die Nähe der Hassreden von Bischof Huonder. Zitat:

Liegt die Aussage: «Homosexuelles Empfinden ist Symptom einer Entwicklungsstörung» inhaltlich auf dem gleichen Niveau wie die Beschimpfung: «Juden sind Untermenschen», gibt es keine akzeptable Form, die katholische Lehre zur Homosexualität zu kommunizieren. Das ist die Meinung der Homo-Lobby, die sich in Gesellschaft, Politik und sogar in den Reihen der Kirche zunehmender Beliebtheit erfreut.

Diese eigenartige Aussage begründet Lusser in seinem Artikel damit, dass «Jude» die Zugehörigkeit einer Ethnie bezeichne und ein «identitätsstiftendes Merkmal der Persönlichkeit» zum Ausdruck bringe. Homosexuelle Empfindungen hätten aber ihre Wurzeln in «traumatischen Kindheitserlebnissen». Gemäss Lusser ist es falsch, Homosexualität als Identität darzustellen.

Der ‹Stiftung CH› und Herrn Lusser ist wohl entgangen, dass am 17. Mai 1990 die WHO (die Weltgesundheitsorganisation) endlich eine längst überfällige Entscheidung getroffen und entschieden hat, dass Homosexualität keine psychische Krankheit ist.

Dass Herr Lusser mit seiner Definition der Homosexualität im Mittelalter stecken geblieben ist, beweist die geschichtliche Tatsache, dass in der Antike gleichgeschlechtliche Liebe weder als anstössig und krankhaft, sondern als eine Spielart menschlicher Sexualität galt. Erst im europäischen Mittelalter galt Homosexualität als widernatürlich, wurde als Verbrechen angesehen und mit Verbrennen, Auspeitschen oder der Verbannung bestraft. Für die Kirche war gleichgeschlechtliche Liebe Ketzerei, die allerdings vor einem weltlichen Gericht verhandelt werden musste.