Das dritte Geschlecht: Rechtsvorschriften fehlen

Im Sommer vor zwei Jahren hatte ein 26-jähriger intersexueller Mensch – er ist unter dem Namen Vanja bekannt – auf dem Standesamt in einer Kleinstadt bei Hannover einen Antrag gestellt, das Geschlecht von «weiblich» auf «inter/divers» zu ändern, was abgelehnt wurde. Darauf folgende Klagen blieben ebenfalls erfolglos – Rechtsvorschriften würden fehlen … Und nun hat auch das höchste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, entschieden: es gebe nur «männlich» oder «weiblich».

Gott Hermaphroditos, ein antikes Zwitterwesen im Antikenmuseum in Basel.

Gott Hermaphroditos, ein antikes Zwitterwesen im Antikenmuseum in Basel.

In einer Stellungnahme kritisiert der deutsche Lesben- und Schwulenverband (LSVD) den Entscheid. Das Festhalten an einem binären Geschlechtermodell, das Menschen in die Schubladen «männlich» oder «weiblich» zwänge, sei unnötig. Der LSVD fordert den Gesetzgeber auf, einen umfassenden rechtlichen Rahmen für Personen zu schaffen, die sich einem dritten Geschlecht zugehörig fühlten.

Und ebenfalls in Österreich ist im Moment ein ähnlicher «Fall» offen. Alex Jürgen kann sich ebenfalls weder «männlich» oder «weiblich» definieren. Da sich das Standesamt der Stadt Steyr geweigert hat, sein Geschlecht in offiziellen Dokumenten als „inter“, „anders“ oder “X“ einzutragen, wird nun das Landesverwaltungsgericht in Linz darüber entscheiden müssen.

Der Anwalt von Alex Jürgen sagte gegenüber den Medien, dass es «keinen einzigen Paragrafen in der österreichischen Rechtsprechung gebe», der besage, «dass es nur männlich und weiblich» gebe. Dabei berief er sich auch darauf, dass der Menschenrechtskommissar des Europarates in vergangenen Jahr in einem Bericht über die Lage intergeschlechtlicher Personen dazu aufgerufen habe, bei der Ausstellung von Personenstandsurkunden und Ausweisen die geschlechtliche Selbstbestimmung zu respektieren.

Und in der Schweiz?

Zum Thema Inter* hat in der Schweiz die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin kommt sie zum Schluss, «dass zum jetzigen Zeitpunkt die Zweigeschlechtlichkeit beibehalten werden sollte». Dies deshalb, «weil Betroffene oftmals den Wunsch hegten, als Mann oder Frau ihren Platz in der Gesellschaft zu finden». Doch die «Einführung einer dritten Kategorie» sieht sie immerhin als «diskutierbare Variante“ an. Zudem gebe es in der Schweiz noch keinen Präzedenzfall, bei dem jemand geklagt hätte.

Schade, dass Gerichte und Politik vor einer längst existierenden Realität verschliessen, die auch Menschen mit non-binärer Geschlechtsidentität einschliessen muss.