Höchstens eine Teil-Rehabilitierung für die Opfer des Paragrafen 175 in Deutschland

Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs verurteilten schwulen Männer in zweiter und dritter Lesung – endlich – beschlossen. Allerdings wurde in letzter Minute das Schutzalter von 14 auf 16 erhöht. Statt einer umfassenden Rehabilitierung bringt das neue Gesetz daher eine zusätzliche Demütigung.

Über Jahrzehnte hatten in Deutschland LGBT-Organisationen für die Rehabilitierung und Entschädigung der wegen ihrer Homosexualität verurteilen Männer gekämpft. Jetzt werden endlich alle nach 1945 und bis zur Abschaffung des «Schwulenparagrafen» im Jahr 1994 ergangenen Verurteilungen aufgehoben.

Allerdings haben die Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD das Gesetz kurz vor der Zielgeraden noch umformuliert und einen Passus in das Gesetz eingefügt, wonach die Rehabilitierung nicht für jene gilt, die – unabhängig von ihrem eigenen Alter – wegen sexueller Handlungen mit Personen unter 16 Jahren verurteilt worden waren. Zuvor sah der Gesetzesentwurf eine Schutzaltersgrenze bei 14 Jahren vor – gleich der für heterosexuellen Sex.

Petra Nowacki vom Bundesvorstand «SPDqueer» bezeichnete die Anhebung des Schutzalters auf 16 Jahre als «knallharte Diskriminierung». «Es ist unverschämt, dass die CDU/CSU-Fraktion angedroht hat, den Gesetzesentwurf sonst ganz fallen zu lassen. Es ist aber auch enttäuschend, dass die SPD-Fraktion sich darauf eingelassen hat».

Und Karl-Heinz Brunner von der SPD erinnerte an die berühmte Rede des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, wonach der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung war. Doch das habe nicht für jeden gegolten: «Nicht für Menschen, deren einziges Schicksal es war, das Normalste zu tun, was Menschen können, nämlich Zuneigung zu zeigen und sich zu lieben». Er habe nie verstanden, wie die junge Bundesrepublik in einer freiheitlichen Gesellschaft ohne Scham das «schändliche Treiben» mit dem gleichen verschärften Paragrafen der Nazi-Zeit fortgesetzt habe, von der sie befreit wurde.

Für die betroffenen Männer ist diese Einschränkung eine besondere Schmach. Denn auch wenn die sexuellen Handlungen einvernehmlich geschahen, bleiben sie von der Rehabilitierung ausgeschlossen. Betroffen sind so beispielsweise Männer, die verurteilt wurden, weil sie als 17-jährige Jugendliche sexuelle Kontakte mit einem 15-Jährigen hatten – und damals etwa von den Eltern des Partners angezeigt wurden.