Geflohen und trotzdem weiterverfolgt

Quarteera: eine Wortschöpfung aus queer, für schwul, und Kwartira, dem russischen Wort für Wohnung.

M. ist 29, Tschetschene und schwul. Nach ständiger Gewalt und Übergriffen floh er nach Deutschland. Doch auch hier jagen ihn seine Landsleute, die ihn verprügeln, verhöhnen und bedrohen.

Gegenüber dem Deutschlandfunk erzählt M. seine Geschichte. Sein Coming‐out 2011 war unfreiwillig: «Sie kamen, verhafteten und erpressten mich mit Fotos, die sie online stellen wollten». Ein Polizist lockte ihn via Internet in die Falle. Er floh nach Deutschland und dachte zuerst, er sei nun in Sicherheit:

Die Jahre 2014 und 2015 waren die Hölle. Hätte ich das gewusst, wäre ich nicht nach Deutschland gekommen. … Diese ständigen Bedrohungen hier, am Telefon oder in Internet, diese Schweinereien sind nicht auszuhalten. Sie veröffentlichten Fotografien im Netz, Videos mit Nacktszenen. Sie machten mir Druck von allen Seiten.

Sie, das sind Leute aus seinem Heimatdorf in Tschetschenien, vor denen er doch eigentlich floh – und sie belassen es nicht bei Einschüchterungen, sie sind gewalttätig:

Hier tauchte plötzlich ein Nachbarsjunge aus meinem Dorf auf und der erzählte der ganzen tschetschenischen Gemeinde meine Geschichte. Seitdem werde ich ständig verprügelt, verhöhnt, bedroht.

Wir wissen, dass viele Asylsuchende aus homofeindlichen Ländern ihre sexuelle Orientierung aus nachvollziehbarer Angst gegenüber den Behörden zuerst verschweigen. So war es auch bei M. – und so wurde sein Asylantrag abgelehnt:

Dass Frau Merkel erlaubt, dass diese radikalen Tschetschenen, die mich hier bedrohen, bleiben dürfen, ich aber nicht – finde ich nicht gut. … Ich traue mich nicht auf die Strasse. Ich sitze wie in einem Käfig und wenn jemand an die Tür kommt, kann ich vor Angst kaum aufmachen, weil ich nicht weiss, ob ich das überlebe.

Der Verein Quarteera bietet in Deutschland rund 80 LGBT aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion Schutz und Unterstützung. Gegenüber dem Deutschlandfunk bezeichnet Quarteera die systematische Verfolgung von M. als «als Schock»:

Früher kam es auch zu Überfällen, aber das hatte kein System und geschieht auch jetzt noch oft, nicht nur Flüchtlingen. Aber das hier ist eine systematische Verfolgung.