Indiens Oberstes Gericht entkriminalisiert Homosexualität

Per sofort stehen in Indien homosexuelle Handlungen nicht mehr unter Strafe. In einer einstimmigen Entscheidung kippte das Oberste Gericht das entsprechende Gesetz. «Eine einvernehmliche Beziehung zwischen zwei einwilligenden Erwachsenen kann nicht gegen die Verfassung verstossen», sagte einer der Richter beim Verlesen des Urteils.

Der entsprechende Paragraph war ein Relikt der britischen Kolonialgesetzgebung aus den 1860er Jahren. Es bestrafte Homosexualität als «Geschlechtsverkehr wider die Natur» mit lebenslänglicher Haft. Ein örtliches Gericht in Neu Delhi hatte Homosexualität im Jahr 2009 zwar eigentlich legalisiert. Das Oberste Gericht führte nach Beschwerden religiöser Gruppen die Strafbestimmungen 2014 aber wieder ein.

Doch auch nach der Legalisierung bleibt Homosexualität in der indischen Gesellschaft ein Tabuthema. Viele Schwule und Lesben berichten von gesellschaftliche Ächtung und Diskriminierung. So hat etwa jede dritte lesbische Frau gemäss einer Umfrage körperliche Misshandlungen und Vergewaltigungen durch Verwandte erlitten. 

In einem anderen Bereich ist die indische Gesetzgebung allerdings bereits liberaler als die unsere: Seit 2014 anerkennt Indien in öffentlichen Dokumenten wie Ausweisen oder Führerscheinen nebst «Mann» und «Frau» auch eine dritte Kategorie.