EU-Parlament stärkt Rechte von intergeschlechtlichen Menschen

Mitte Februar hat das Europäische Parlament eine Resolution zu den Menschenrechten von intergeschlechtlichen Menschen angenommen. Gut so! Wie ist aber die Situation für intergeschlechtliche Menschen tatsächlich?

Noch immer sind in der EU intergeschlechtliche Menschen in vielfacher Hinsicht Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. «Diese Menschenrechtsverletzungen bleiben der breiten Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern weitgehend verborgen», heisst es im Papier des EU-Parlaments. Die EU-Mitgliedsstaaten werden nun aufgefordert, Rechtsvorschriften zu erlassen, um die Grundrechte von intergeschlechtlichen Menschen «angemessen zu schützen». Dabei stehen die körperliche Unversehrtheit und die Selbstbestimmung im Vordergrund. Scharf verurteilt werden in der Resolution Operationen an intergeschlechtlichen Kindern ohne deren «persönliche, vollständige und informierte Zustimmung», da diese «zu lebenslangen Folgen wie psychische Traumata und körperliche Beeinträchtigungen führen könnten». Zudem zeigt die Resolution die Wichtigkeit von angemessenen Beratungen für intergeschlechtliche Menschen und deren Familien auf.

Durch diese Resolution geht die EU nun einen Schritt weiter im Kampf gegen die Pathologisierung der Intergeschlechtlichkeit.

Operationen an intergeschlechtlichen Kindern nicht rückläufig

Obwohl medizinische Leitlinien immer wieder von normangleichenden Genitaloperationen an intergeschlechtlichen Kindern abraten, sind gemäss einer Studie der Universität Bochum solche Operationen in Deutschland nicht rückläufig! 

«Es wird weiter operiert, ganz gleich, wie viele Runde Tische und Anhörungen es auch geben mag.»

Im Vorwort der Studie ist zu lesen, «dass Operationen an den Genitalien von nicht‐einwilligungsfähigen intergeschlechtlichen Kindern Menschenrechtsverletzungen darstellen» und diese mittlerweile völlig unstrittig sein sollten. Dabei zeige die Studie «eindrücklich, dass sich nichts geändert hat – trotz Diskurs, Gutachten und Stellungnahmen».

Gemäss verschieden Medienberichten sind bislang normangleichende Operationen an intergeschlechtlichen Kindern lediglich in Malta und Portugal verboten. Auf meine Anfrage hin relativiert allerdings die inter* Aktivistin Audrey Aegerter vehement. Obschon in Malta ein Gesetz Operationen verbiete, habe sich an der tatsächlichen Situation nichts verändert – und normangleichende Operationen und Behandlungen würden weiterhin ohne die freiwillige und informierte Einwilligung durchgeführt. Und regelrecht perfid sei die Situation in Portugal: «Sobald das vermeintliche Geschlecht erkennbar wird (spielt das Kind zum Beispiel mit einer Puppe, ist es ein Mädchen) darf noch immer eine normangleichende Operation durchgeführt werden», erklärt mir Audrey Aegerter.

Und wie ist die Situation für intergeschlechtliche Menschen in der Schweiz?

Es gebe in der Schweiz keine Studie über normangleichende Operationen an intergeschlechtlichen Kindern. Doch sei die Situation, da ist sich Audrey Aegerter sicher, «mit hoher Wahrscheinlichkeit gleich wie in anderen Ländern». Bisher habe die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin NEK einzig Empfehlungen abgegeben, Gesetze fehlen weiterhin. Gegenüber Audrey Aegerter äusserten Ärzt*innen, dass es aus Sicht der Kinderrechte «völlig in Ordnung sei, ein Kind zu verstümmeln, wenn die Eltern die elterliche Fürsorge garantieren würden». Und andere Ärzt*innen sagten, dass es die Eltern selber seien, die sie zu Eingriffen zwingen würden.

Grosse Fragezeichen setzt Audrey Aegerter auch hinter die Einführung einer «dritten Option» (männlich, weiblich, divers). Diese erhöhe den Druck der Ärzteschaft auf die Eltern: «Sie wollen doch nicht ein diverses Kind haben? Ich operiere es und alles ist ok.». Sie meint weiter, dass eine dritte Option nur wünschenswert sei, wenn diese selbstbestimmt gewählt wird – also, wenn die Person sich selbst als divers, anders oder X identifiziert. 

Einem intergeschlechtlichen Kind bereits kurz nach der Geburt einer dritten Kategorie einzuordnen erhöhe die Stigmatisierung, den ärztlichen Druck und die elterliche Sorge. Zudem würden viele inter* Variationen erst später entdeckt. Audrey Aegerter ist daher sicher, dass es «sinnvoller wäre, Kinder bei der Geburt keinem Geschlecht zuzuordnen».