«Tuntige» Asylsuchende habe die besseren Chancen auf Asyl

Da greift mensch sich doch an den Kopf! Wie Queer.de vermeldet, haben muslimische schwule, lesbische, trans oder inter Asylbewerber*innen in Deutschland die grössere Chance als Flüchtlinge anerkannt zu werden, wenn sie ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität klischeehaft darstellen. Zu dieser Feststellung kommt eine Studie der Schweizer Anthropologin Dr. Mengia Tschalär von der Universität Bristol.

Um in Deutschland Asyl zu erhalten, müssten Asylbewerber*innen die Mitarbeitenden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge davon überzeugen, dass sie sich tatsächlich als schwul, lesbisch, trans, oder inter identifizieren und in ihren Heimatländern deshalb verfolgt werden. Das macht ja noch irgendwie Sinn. Doch die Tatsache, dass Asylsuchende mit «Asylgeschichten», die mit den westlichen Vorstellungen eines queeren Lifestyle übereinstimmen bessere Chancen haben bewilligt zu werden, verursacht doch ziemliches Kopfschütteln.

Zu guten «Asylgeschichten» gehören übrigens «regelmässige Besuche von queeren Discos und Partys, öffentliche Liebesbekundungen und das Tragen von Regenbogenkleidung und ähnliches», wie Mengia Tschalär in ihrer Studie beschreibt. Zudem würden viele Asylsuchende nach ihrem Sexleben befragt, obschon dies nach Vorgaben der EU verboten sei. Ich stelle mir grad vor, wie ein Syrer, dem in seinem Heimatland wegen seiner sexuellen Orientierung die Steinigung droht, nach erfolgreicher Flucht grad sofort auf offener Strasse mit einem anderen Mann rumknutscht … Wie realitätsfremd sind eigentlich Mitarbeitende von Migrationsbehörden?

Und dies bestätigt auch die Studie: Menschen, denen es wegen der Verfolgung in ihrem Heimatland schwergefallen sei, über ihre Identität zu sprechen, hätten sich marginalisiert und stigmatisiert gefühlt. Ihre Asylgesuche «wurden gewöhnlich abgelehnt, ebenso wie solche, die in ihren Heimatländern verheiratet waren oder Kinder hatten», erklärt Mengia Tschalär.

Hinzu komme auch, dass viele queere Asylbewerber*innen feststellen mussten, dass amtliche Übersetzer*innen homo- oder transphob sind oder viele Details nicht übersetzt hätten – da ihnen schlicht das Wissen über LGBTI-Menschen fehle.

Mengia Tschalär fordert in ihrer Studie, dass alle geflüchteten LGBTI-Muslime dieselbe Chance auf Asyl haben sollten. Entscheidungsträger*innen, Richter*innen und Übersetzer*innen müssten besser sensibilisiert werden, «damit sie mehr über LGBTI-Identitäten wissen und nicht die islamophoben Tendenzen in der Einwanderungspraxis und den Debatten in Deutschland reproduzieren».

Und in der Schweiz?

Wer die Website von Queeramnesty studiert, merkt bald, dass die Situation für LGBTI-Asylsuchende in der Schweiz ähnlich oder gleich ist wie in Deutschland. In der Informationsbroschüre «Fluchtgrund: Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität» weist Queeramnesty darauf hin, dass die von LGBTI-Asylsuchenden geltend gemachten Asylgründe werden kaum je in ihrer Gesamtheit, sondern als einzelne Ereignisse betrachtet würden. Diese liegen dann laut Argumentation der Behörden entweder zu weit zurück oder werden als zu wenig intensiv oder nicht glaubwürdig betrachtet. «Dass es die Menge, die Kumulation dieser einzelnen Ereignisse ist, die als Asylgrund ausschlaggebend ist, wird zu wenig beachtet», schreibt Queermnesty.

So habe beispielsweise ein homosexueller Mann überzeugend geltend gemacht, dass er wegen seines Aussehens bereits als 11-Jähriger als Mädchen verschrien wurde und bis zu seiner Ausreise aus dem Heimatland immer wieder Übergriffen seitens der Zivilbevölkerung und der Polizei ausgesetzt war. Trotzdem wurde sein Asylgesuch abgelehnt: «Dass die Summe dieser Übergriffe über die Jahre hinweg zu einem unerträglichen Druck führte, wurde nicht berücksichtigt».