Parteipositionen zur «Ehe für alle»

Welche Parteien unterstützen die Öffnung der Zivilehe vollumfänglich, welche ein bisschen und welche gar nicht?

Im März schickte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats einen Vorentwurf zur parlamentarischen Initiative «Ehe für alle» in die Vernehmlassung. Bis am 21. Juni hatten Interessierte Zeit, zum Vorentwurf Stellung zu nehmen. Knapp zwei Monate vor den Wahlen hat der Dachverband Regenbogenfamilien die Stellungnahmen der «Volksparteien» genauer unter die Lupe genommen und die Ergebnisse in einer Grafik zusammengefasst. Besten Dank dafür! Die Positionen der einzelnen Parteien sind äusserst spannend und lassen spannende Schlüsse darüber zu, welche Parteien uns «wohlgesonnen» sind und welche eher weniger.

Spannend auch, was die einzelnen Parteien in ihren Stellungnahmen geschrieben haben. So lehnt beispielsweise die SVP die Vorlage ab: «Der rechtliche Rahmen für eine homosexuelle Beziehung, d.h. auf eine verlässliche, dauerhafte und intime Partnerschaft, ist mit der eingetragenen Partnerschaft bereits gegeben.» Für die SVP ist klar, dass die Familie und mit ihr die Ehe zwischen Mann und Frau eine tragende Säule unserer Gesellschaft bilde. Die SVP will zudem «keine Vielehen, keine absolute Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit der Ehe und keine Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare oder so genannte Einelternfamilien».

Für die SP Schweiz ist klar, dass eine tatsächliche Gleichstellung nur erreicht wird, wenn gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe mit sämtlichen Rechten und Pflichten eingehen können, und zwar genau so, wie sie auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen stehe: «Insbesondere möchten wir unterstreichen, dass der Zugang der Samenspende für verheiratete Frauen von zentraler Bedeutung für eine vollständige Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist». Zudem hält die SP fest, dass die Bundesverfassung schon heute festschreibe, dass eine Diskriminierung wegen der «Lebensform» oder des «Geschlechts» unzulässig sei. Die für die Verfassung bewusst verwendete Umschreibung der «Lebensform» bezeichne nach dem parlamentarischen Willen in erster Linie die sexuelle Orientierung und würde so auch in Gesetzeserlasse und die herrschende Rechtslehre übernommen. «Eine Ungleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren ist folglich verfassungswidrig.»

Die FDP gibt sich «liberal» und spricht sich klar für die Öffnung der Ehe gemäss der Variante des Vorentwurfs aus. Kern des Liberalismus sei die Überzeugung, dass alle Menschen ihr Leben so gestalten können, wie sie es für richtig halten. Eine konservative Auslegung der Ehe mit einer Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren widerspreche dieser Überzeugung klar: «Das zivilrechtliche Institut der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, ist daher der richtige, längst überfällige, nächste Schritt».

Eingereicht wurde die parlamentarische Initiative zur Öffnung der Ehe ja von den Grünliberalen. Die Schweiz sei im Vergleich mit unseren Nachbarländern in «beschämender Weise» in Hintertreffen geraten. Die Partei schreibt in ihrer Stellungnahme: «Die Grünliberalen begrüssen, dass dieser Missstand mit dem vorliegenden Vorentwurf korrigiert werden soll, und sind mit der Vorlage einverstanden». Ein Wermutstropfen sei allerdings, dass es ab Einreichen der parlamentarischen Initiative «mehr als fünf Jahre gedauert habe, um an diesen Punkt zu kommen». Umso erfreulicher, dass die Rechtskommission «nunmehr möglichst rasch allen Paaren» den Zugang zur Ehe gewährt will. «Die Grünliberalen begrüssen und unterstützen die Variante im Vorentwurf, mit welcher der Zugang zur Samenspende für gleichgeschlechtliche Paare auf dem Wege der Gesetzesänderung geöffnet werden soll.»

Und auch die Grünen unterstützen den von der Rechtskommission des Nationalrats ausgearbeiteten Vorentwurf «grundsätzlich». Eine tatsächliche Gleichstellung werde nur erreicht, wenn gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe mit sämtlichen Rechten und Pflichten eingehen können, und zwar genau so, wie sie auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen stehe: «Hierfür bedarf es der Umsetzung inklusive der vorgeschlagenen Variante mit dem Zugang zur Samenspende».

Durch das Konstrukt der eingetragenen Partnerschaft werden gleichgeschlechtliche Paare rechtlich benachteiligt und stigmatisiert, schreibt die BDP in ihrer Vernehmlassung zur Eheöffnung. Das traditionelle Verständnis von Ehe und Familie sei nicht nur diskriminierend, sondern auch «total veraltet». Deshalb die Einführung der «Ehe für alle» überfällig. Allerdings will die BDP eine etappenweise Umsetzung, die Thematik der Samenspende auch für homosexuelle Paare sei «mit einer Revision der Fortpflanzungsmedizin zu behandeln». Dort müsse «dann auch die Eizellenspende (für hetero- wie auch homosexuelle Paare) und die Leihmutterschaft thematisiert werden». Die Einführung der Eizellenspenden wird von der BDP bereits in einem Vorstoss gefordert. Die BDP ist überzeugt, «dass dieses zweite Paket schneller und effizienter beschlossen wird, wenn sich zuvor das Volk im Grundsatz deutlich für die Ehe für alle ausgesprochen hat». Ein Überladen der jetzigen Kernvorlage könne diese zum Scheitern bringen – was die BDP nicht riskieren möchte.

Die CVP ist ihrerseits bereit, für die Öffnung der Ehe auf Gesetzesstufe «Hand zu bieten», wobei für die Partei mit dem «christlich» im Namen die Abschaffung der Heiratsstrafe das oberste Ziel bleibe. In ihrer Stellungnahme hält die CVP fest, dass die eingetragene Partnerschaft als «stigmatisierend und diskriminierend empfunden werden kann, da diese bei Bekanntgabe ihres Zivilstandes gleichzeitig Auskunft über ihre sexuelle Orientierung geben müssen». Für eine Mehrheit der CVP solle darum die Gesetzgebung in diesem Bereich im Sinne einer Öffnung der Ehe angepasst werden – allerdings gebe es auch innerhalb der Partei unterschiedliche Positionen. So entspreche der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin für lesbische Paare nicht dem Anliegen der Parlamentarischen Initiative «Ehe für alle».

In ihrer Stellungnahme zur Öffnung der Zivilehe beobachte die EDU «die Entwicklung mit gemischten Gefühlen». Die Partei stelle «einen grossen sexualethischen Umbruch fest», der nicht zuletzt den Begriff der «traditionellen Familie» und damit «die kleinste Zelle des Staates» tangiere. Es sei «paradox, die traditionelle Ehe schlechtzureden, und andererseits die offensichtlichen Vorteile des Rechtsinstituts «Ehe» unter anderen Vorzeichen für neue Formen der Beziehung zu öffnen. «Das ist ein Widerspruch in sich selbst.» Die Ehe würde «seit jeher in allen Kulturen als Lebensgemeinschaft von Frau und Mann verstanden», habe das «natürliche Potenzial, eigene Kinder zu bekommen» und sei damit ein «Garant für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation». Die EDU sehe – obschon sie seinerseits bereits gegen das Partnerschaftsgesetz das Referendum ergriffen hat – «die rechtlichen Möglichkeiten für homosexuelle Paare mit der eingetragenen Partnerschaft als gegeben». Vor der Abstimmung im Juni 2005 über das Partnerschaftsgesetz hätten sich «Vertretungen von Lesben und Schwulen dahingehend geäussert, dass keine weiteren Forderungen gestellt würden» – beispielsweise eben die Möglichkeit der Kinderadoption. Genau dazu würde aber die «Ehe für alle» und die damit zu erwartenden weiteren Anpassungen Tür und Tor öffnen. Darum behalte sich die EDU vor, wiederum das Referendum zu ergreifen.