Regenbogenfamilien: Signalwirkung auf die Politik?

Zwei Frauen lernen sich kennen und lieben, frau zieht zusammen, ein Kinderwunsch entsteht. Da die beiden Frauen aber allein Eltern sein wollen, entscheiden sie sich für eine anonyme Samenspende – in Dänemark, da in der Schweiz dies gleichgeschlechtlichen Paaren untersagt ist.

Geburt! Die leibliche Mutter reduziert das Arbeitspensum, die Partnerschaft wird pflichtbewusst auf dem Standesamt eingetragen, Hausbau. Und fast wie im wahren Leben: Beziehungsprobleme, Rettungsversuche, Therapie, Trennung! Und Streit um den Unterhalt für die Kinder vor Gericht …

Und der Richter des Regional­gerichts Bern-Mittelland von Anfang ­September spricht in seinem Urteil der leiblichen Mutter Unterstützung für die Kinder zu. «Das ist brisant», schreiben die Zeitungen: «Denn das Partnerschaftsgesetz sieht eine automatisch aus der Geburt entstehende Elternschaft für gleichgeschlechtliche Paare nicht vor». Der nicht leibliche Elternteil hat also weder Rechte noch Pflichten! Wie der Richter in seinem Urteil schreibt, lässt das Gesetz «ausser Acht», dass sich gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam für eine Elternschaft durch anonyme Samenspenden entscheiden könnten. Deshalb entschied der Richter Besuchsrecht und Unterhalt nach den Kriterien des Eherechts.

Das Kindswohl im Vordergrund

Damit setzt das Gericht faktisch neues Recht. Dominic Nellen, der Anwalt der leiblichen Mutter, spricht gegenüber den Medien von einen «Leiturteil». Erstmals schütze ein Gericht Kinder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. «Das Gericht sagt deutlich, dass sich Co-Eltern in eingetragenen Partnerschaften nicht einfach aus dem Staub machen können.» Faktisch führe das Urteil richtigerweise zu einer Gleichstellung mit heterosexuellen Familien.

Auch der Dachverband Regenbogenfamilien begrüsst den Gerichtsentscheid und erwartet eine Signalwirkung auf die Politik. «Mit dem Gerichtsurteil kommt das Parlament unter Zugzwang», sagt Christian Iten vom Dachverband. Der Richter habe das Kindswohl ins Zentrum gesetzt und damit die Notwendigkeit für die Gesetzesanpassung aufgezeigt.

Das Urteil wird sicherlich Einfluss auf die politische Debatte über die Öffnung der Zivilehe – zumal bei der ersten Kommissionsberatung im Nationalrat der entscheidende Punkt, der die sozialen Mütter mit der Geburt automatisch zu Eltern machen würde, ausgeklammert wird. Jedenfalls wächst mit dem Richterspruch der Druck auf eine tatsächliche Gleichstellung. «Das Urteil macht klar, dass es eine gesetzliche Regelung zum Schutz gleichgeschlechtlicher Eltern braucht», meint Maria von Känel vom Dachverband Regenbogenfamilien. «Eine Light-Variante der Ehe für alle ist nicht mehr denkbar.»

Damit in den Medien immer schön jedes Thema ausgewogen ist, darf sich auch der «Widerstand» gegen gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare äussern. Gegenüber den Tamedia-Zeitungen sieht die SVP-Nationalrätin ihre ablehnende Haltung bestätigt: «Kinder haben das Recht auf Vater und Mutter». Das Gericht umgehe zudem mit dem Urteil das Gesetz.

Ein Spender ist kein Vater

Mit Blick auf die aktuelle Berichterstattung ist es für den Dachverband Regenbogenfamilien äusserst wichtig, dass die Medien im Zusammenhang mit lesbischen Müttern nicht den Begriff «Vater» verwenden, sondern «Spender». Es ist wichtig, die Sprache den Begebenheiten anzupassen, denn ein Spender ist kein Vater, da keine rechtliche Vaterschaft besteht und dieser auch keine aktive soziale Rolle übernimmt. Die vollwertigen Eltern sind die beiden Mütter und das Kind kennt seine Eltern seit der Geburt.