Die «unendliche Geschichte» um diskriminierende Ehe-Definition der CVP

Gestern erreichte mich bereits am frühen Morgen die Nachricht: Heute debattiert der Ständerat über die «Heiratsstrafe». Und bei diesem Stichwort reagiere ich wie auf ein «säuerlich», habe ich doch den Abstimmungskampf um die CVP-Initiative in schlechtester Erinnerung. Es drohte, dass in der Bundesverfassung die Ehe zwischen einer Verbindung zwischen Mann und Frau definiert wird. Seit gestern Abend ist die Chance wiederum gross, dass wir nochmals an der Urne darüber abstimmen müssen.

Das Thema «Heiratsstrafe» beschäftigt die Politik seit Jahren. 1984 erklärte das Bundesgericht die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren für diskriminierend. In den Kantonen wurde sie daraufhin beseitigt – nicht aber auf Bundesebene. 2016 lehnte das Stimmvolk eben die bereits erwähnt Initiative ab. Und drei Jahre später entschied das Bundesgericht, die Abstimmung zu annullieren, da der Bund mit falschen Zahlen operierte. Der Urnengang muss nun wiederholt werden – vorausgesetzt, die Initiative wird nicht zurückgezogen. Und ob die CVP diese zurückzieht, hängt im Wesentlichen davon ab, ob sich das Parlament auf neue gesetzliche Regeln einigen kann.

Und gestern hat nun also der Vorschlag des Bundesrates die Hürde «Ständerat» nicht geschafft. Er scheiterte am Widerstand von rechts und links. Für die FDP ist die Vorlage zu kompliziert. Und die SP stört sich daran, dass von der Reform vor allem reichere Ehepaare profitieren. Als nächste Hürde wird nun die Vorlage den Nationalrat schaffen müssen. Und so geht es hin und her – und die Zeit wird knapp: Der Bundesrat muss vor dem 27. Mai 2020 einen neuen Abstimmungstermin für die CVP-Initiative festlegen! Und da ja bekanntlich in der Schweiz politische Entscheidungen sehr laaaangsaaaam entschieden werden …

Für die CVP ist die «Ehe-Initiative» unbequem geworden, da sie ja eben auch die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau in der Bundesverfassung definieren will. Und die Partei ist inzwischen aber mehrheitlich für die «Ehe für alle». Gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen erklärte der CVP-Ständerat Pirmin Bischof, dass es eigentlich «um die Beseitigung der Heiratsstrafe» bei den Steuern und der AHV gehe: «Es geht nicht um den Ehe-Begriff».

Nachbefragungen nach der Abstimmung haben aber gezeigt, dass gerade dieser konservative Ehe-Begriff der eigentliche Grund war, weshalb die Initiative knapp abgelehnt wurde. Ständerat Bischof ist sich sicher, dass diejenigen, die das letzte Mal wegen des Ehe-Begriffs Nein gestimmt haben, wahrscheinlich auch bei der Wiederholung der Abstimmung Nein stimmen werden: «Aber diejenigen 1,4 Millionen, die das letzte Mal nicht wussten, dass sie selber diskriminiert sind, wissen nun, dass sie verfassungswidrig zu viel Steuern zahlen». Ob diese das einfach hinnehmen werden? Da ist nicht nur Pirmin Bischof «nicht so sicher».