Anstieg von LGBTI-feindlicher Hasskriminalität in Deutschland

Und eine Überraschung aus dem Bundeshaus!

Laut soeben veröffentlichten statistischen Zahlen wurden in Deutschland im ersten Halbjahr 2019 bereits 245 Fälle von Hassverbrechen gegen LGBTI-Menschen erfasst, davon 54 Gewaltdelikte. Im Vergleich: Im Jahr 2018 waren es 351 erfasste Fälle. Und in der Schweiz wurde eine Motion, die überhaupt mal eine statische Erfassung von LGBTI-feindlicher Hassverbrechen verlangt, abgeschrieben – da unser Parlament innert zwei Jahren keine Zeit fand, darüber zu diskutieren. Und ohne erfasste Zahlen finden solche Verbrechen nicht statt … 

Der deutliche Anstieg in der Statistik zeigt, dass in Deutschland LGBTI-feindliche Hasskriminalität zum traurigen Alltag gehört. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert deshalb ein umfassendes bundesweites Programm gegen homo- und transfeindliche Gewalt inklusive Präventionsmassnahmen und konsequenter Strafverfolgung: «Es müssen endlich effektive Massnahmen für Prävention, Erfassung und Strafverfolgung auf den Weg gebracht werden», schreibt der Verband heute in einer Medienmitteilung. Auch müssten Opferhilfe-Einrichtungen ausreichend unterstützt werden.

Zudem weist der LSVD ausdrücklich darauf hin: «Wenn Hasskriminalität gegen LGBTI nicht ausdrücklich im Gesetz benannt ist, werden diese Motive in der Praxis der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen und damit auch bei der Strafzumessung kaum Beachtung finden».

Rückblende: Zürich, 17. Mai 2019

Es war ausgerechnet am Internationalen Tag gegen Homo‑, Bi‑, Inter- und Transphobie als mehrere Männer in Zürich einen LGBTI-Infostand attackierten. Bei einem zweiten Vorfall, der sich etwas später am selben Ort ereignete, soll ein Mann den Standbetreiber tätlich angegangen und bedroht haben. Der mutmassliche Täter wurde jetzt festgenommen. «Während einer ersten polizeilichen Befragung zeigte sich der 19-jährige geständig», heisst es in einer Mitteilung der Polizei. Ein Strafverfahren wurde eingeleitet.

Gegen zwei Jugendliche, die am Stand Sachbeschädigungen begangen haben sollen, leitete die Jugendanwaltschaft der Stadt Zürich bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Strafuntersuchung wegen «geringfügiger Vermögensdelikte» ein.

Überraschung im Nationalrat

Wende im Bundeshaus: Heute hat der Nationalrat die Motion von Rosmarie Quadranti (BDP) zur statistischen Erfassung von Hate Crimes gegen LGBTI-Personen doch noch behandelt. Obwohl der Bundesrat die Motion zur Ablehnung empfahl, hat sie der Nationalrat knapp angenommen: Mit 97 zu 94 hat er sich dafür ausgesprochen, dass LGBTI-feindliche Hassdelikte statistisch erfasst werden sollen.

Mit der heute doch noch unterstützten Motion soll der Bundesrat beauftragt werden, «Hate Crimes aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen» statistisch zu erfassen. Die Motion muss nun noch vom Ständerat angenommen werden.

Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, ergänzt: «In den letzten Monaten wurden diverse Angriffe auf schwule Paare publik, welche die Bevölkerung betroffen machten. Wir wissen aber aus unserer Arbeit, dass solche Attacken leider keine Einzelfälle sind, sondern regelmässig stattfinden. Die statistische Erfassung würde dies endlich beweisen und dieser Teilsieg ist deshalb ein grosser Meilenstein für uns. Nun zählen wir auf den Ständerat, dass er unser Anliegen ebenfalls ernst nimmt.»