Coming-out! Kennst du?

Smalltalk im geschäftlichen Alltag: «Sind sie verheiratet, Herr Frey?» «Nein, ich darf nicht heiraten!» «Haben sie Kinder, Herr Frey?» «Nein, wir üben aber schon lange!» «Grüssen sie ihre Frau unbekannterweise von mir!» «Ich habe keine Frau – ich habe einen Mann!» «Du bis schwul? Bei mir im Haus wohnen auch zwei Männer. Die grüssen im Treppenhaus immer so nett!»

Heute ist Coming-out Day!

Peter Thommen, Schwulenaktivist aus Basel, schreibt auf «Thommens Senf» zum Coming-out Day: «Coming-outs finden täglich statt und lebenslänglich – für alle, die sich irgendwie von irgendwelchen Mehrheiten unterscheiden». Und im Unterschied zum «Outing» sei ein Coming-out kein Vorgang, der plötzlich erfolge, sondern ein zwangsweises plötzliches Herauskommen. Ein Coming-out aber sei «unsichtbare psychische Arbeit».

Die Idee hinter dem Coming-out Day: Er soll queeren Menschen Mut zum Coming-out machen. Peter Thommen hat da einen anderen – sehr sympathischen und einleuchtenden – Ansatz. Eltern sollten dazu motiviert werden, ein Outing zu machen, indem sie sich an dem Tag als offen für andere Identitäten äussern sollten. «Für sie ist es selbstverständlich und ohne Frage, davon auszugehen und auch zu zeigen, dass sie Sexualität und Fortpflanzung leben». Es sei in der Verantwortung von Eltern, jegliche Orientierung zu akzeptieren, die in ihren Kindern heranwächst.

Unser täglich Coming-out gib uns heute!

Den Coming-out Day gibt es seit 1988. 31 Jahre später wird in Melchnau im Kirchgemeinderat ein Schwuler gemobbt – als «Sünder» habe er da nichts verloren. Und die Christkatholische Kirche lädt zum «Workshop für Queereinsteiger*innen» ein – zur Abklärung, ob queere Menschen überhaupt spirituelle Bedürfnisse an die Kirche haben.

Die Grenzen zwischen Ablehnung, Toleranz und Akzeptanz sind oft fliessend und in der sogenannten Gesellschaft ständig in Veränderung. Doch eigentlich halte ich es phlegmatisch: Mir ist Akzeptanz – und Toleranz sowieso – zu wenig. Ich will jetzt endlich die vollständige Gleichbehandlung – rechtlich und auch in den Kirchen. Diskussionen über ein bisschen «Ehe für alle» und ein bisschen Segnung meiner Partnerschaft ist mir längst zuwider! Aber vermutlich bin ich da äusserst naiv und werde wohl noch lange dumme Fragen beantworten müssen.

Heute – am Coming-out Day 2019 – will ich NICHT darüberschreiben, dass das erste Coming-out für queere Menschen noch immer einer der schwierigsten Schritte im Leben ist. Ich will heute NICHT darüberschreiben, dass Angst vor Ablehnung, Diskriminierung und Benachteiligung dazu führen, die sexuelle Orientierung oder wahre Geschlechtsidentität zu verstecken. Ich will heute auch NICHT darüberschreiben, dass die Suizidgefahr bei jungen homosexuellen Menschen fünf Mal höher als bei heterosexuellen Jugendlichen ist. Ich will auch NICHT darüberschreiben, dass bei trans Menschen die Zahlen noch erschreckender sind, haben doch 40 bis 50 Prozent schon ernsthaft über Selbstmord nachgedacht oder sogar mindesten einen Suizidversuch gemacht.

Heute will ich mich darüber freuen, dass wir queeren Menschen stolz und selbstbewusst sind. Und heute bin ich für einmal nicht der nette Nachbar oder der nette Arbeitskollege. Mir stinkt dieser ständige Kampf um die Gewöhnlichkeit meines Andersseins gewaltig! Wir sind nämlich mehr als du glaubst – du da jenseits meiner tollen und bunten Community!