Kommt es in der reformierten Kirche der Schweiz zum Showdown?

Am gestrigen Reformationssonntag zelebrierte Kirche und Staat Einigkeit. Ein amtierender Bundesrat und der höchste Protestant sprachen gemeinsam von der Kanzel und predigten zum Thema «Innovation in Kirche und Staat: Was eint, was trennt?». Fast gleichzeitig formierten sich aber Ewiggestrige. Sie fürchten wegen der «Ehe für alle» einen Missbrauch von Gottes Namen.

Für Volkswirtschaftsminister Guy Parmelin sind Staat und Kirche Institutionen, die den Menschen dienen: «Die Zukunft der Kirche und des Staates hängen davon ab, ob sie offen sind für Modernisierungen». Dabei gehe es natürlich nicht darum, alles Bisherige aufzugeben. Es gehe vielmehr darum, offen zu sein für Neues. Und Gottfried Locher, der Präsident des Evangelischen Kirchenbundes, war in seiner gestrigen Predigt gleicher Meinung: «Die reformierte Kirche sucht immer wieder neue Wege, denn nur so kann sie dem folgen, in dessen Auftrag sie steht: Jesus Christus». Die ständige Erneuerung sei nicht nur erwünscht, sondern in der Reformation selbst angelegt.

Entsprechend ist sich Gottfried Locher sicher und befürwortet die «Ehe für alle». Wenn sich der Staat zur gleichgeschlechtlichen Ehe hin öffne, sehe er keinen Grund, warum die reformierte Kirche ihm nicht folgen sollte. Zudem entspreche auch Homosexualität dem Schöpfungswillen Gottes. Seit dieser Aussage ist allerdings bei den Reformierten «Feuer im Kirchendach». Unzählige Pfarrer haben sich zur Gegenwehr formiert. Die Ehe für gleichgeschlechtlich Liebende zu öffnen, sei nichts anderes als ein «Segen ohne Segenszusage Gottes», das komme einem «Missbrauch von Gottes Namen» gleich.

Seit heute tagen in Bern die 70 Abgeordneten des Evangelischen Kirchenbundes – und für morgen ist der Beschluss zur «Ehe für alle» traktandiert. Folgende Anträge stehen dabei zur Diskussion und zur Beschlussfassung:

  • Die Abgeordnetenversammlung befürwortet die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auf zivilrechtlicher Ebene.
  • Die Abgeordnetenversammlung empfiehlt den Mitgliedkirchen, die Wahrung der Gewissensfreiheit für Pfarrer*innen bezüglich der kirchlichen Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren vorzusehen.
  • Die Abgeordnetenversammlung empfiehlt den Mitgliedkirchen, Trauungen gleichgeschlechtlicher Paare in die Trauregister aufzunehmen und die Liturgie gleich zu gestalten wie die Trauungen heterosexueller Paare.

Ob sich die Versammlung allerdings überhaupt zu einem Beschluss durchringen wird, ist indes unklar. Offenbar könnten die welschen Abgeordneten eine Verschiebung des Entscheides beantragen. Wir sind gespannt!