Ich bin Hans

Darf ich mich kurz vorstellen? Ich bin Hans und ich werde im nächsten November 70 Jahre alt. Vor genau 55 Jahren habe ich meinen Eltern am Weihnachtsabend gesagt, dass ich mich in einen Schulkollegen verliebt hätte und wir uns sehr mögen. Ich war 15 und damals galt in der Schweiz für homosexuelle Akte das Schutzalter 20. Nach meinem «Geständnis» wurde ich in mein Zimmer geschickt und Weihnachten viel aus. Das Geschenk meiner Eltern war in diesem Jahr eine Therapie bei einem Psychotherapeuten, der mich von der Homosexualität «heilen» sollte. Das Resultat: Eine verknorzte Sexualität, ein Doppelleben und Heimlichtuereien bis vor fünf Jahren …

Ich hatte immer Angst, irgendwer in meiner Verwandtschaft und am Arbeitsplatz könnte meine heimlich gelebte Homosexualität entdecken. Meine Pensionierung vor fünf Jahren war endlich der Wendepunkt in meinem Leben – und ich getraute mich endlich aus «meinem Schrank» raus. Ich entdeckte die queere Community. Und je mehr ich in dieser bunten Welt versank, desto mehr begann ich mich über die heteronormative Welt rund um mich rum zu ärgern. So empfinde ich es als völlig unzumutbar, dass wir wegen der obskuren EDU am 9. Februar über unseren Schutz vor Diskriminierung abstimmen müssen …

Ich freue mich ausserordentlich, dass ich per sofort jeweils auf diesem «stinknormalen» Weblog über mein verknorztes Leben erzählen darf, über meine Erlebnisse in der queeren Community berichten und über meinen Ärger ausserhalb dieser grossartigen Community schimpfen darf. Und wer weiss, vielleicht getraue ich mich in ein paar Monaten auch meinen vollständigen Namen zu verraten.

In diesem Jahr werde ich mich erstmals seit 55 Jahren wieder auf richtige Weihnachten freuen. Ich lade zum leckeren Essen mit Kerzenschein nicht nur meine Schwester Monika ein, sondern auch Peter, den ich vor ein paar Monaten kennengelernt habe und ein wichtiger Mensch in meinem Leben geworden ist. Wie Weihnachten in diesem Jahr war, erzähle ich am nächsten Sonntag. Bis dahin wünsche ich geruhsame Tage …

Euer Hans H.

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