Die lesbische Sichtbarkeit geht uns alle an

Heute ist der 26. April – heute ist «Lesbian Visibility Day». Wir stecken mitten in der Corona-Krise fest. Und Krisen verstärken Unsichtbarkeit. Daher ist es gerade in diesem Jahr besonders wichtig hervorzuheben: Lesben werden oft höchstens «mitgedacht» – von der heteronormativen Gesellschaft und insbesondere noch immer von den Medien und auch von der schwulen Community. Nicht nur Menschen, die sich als «männlich» einordnen, können «homosexuell» sein, sondern auch Menschen, die sich als «weiblich» definieren.

In der Schweiz wissen wir seit April 2018, dass es einen «Tag der lesbischen Sichtbarkeit» gibt. Damals fand in Bern die erste Schweizer Lesben*Demo statt. Erstmal ausgerufen wurde allerdings dieser Tag bereits zehn Jahre vorher in Spanien durch die Vereinigung FELGTB. Das Ziel des «Día de la Visibilidad Lésbica» war klar: Lesben sollen im öffentlichen Raum sichtbar gemacht werden.

Vor der Lesben*Demo 2018 rief ich in meinem Blog dazu auf, dass auch schwule und andere Männer* bei der Demo mitmarschieren und sich so solidarisieren sollten – im Hintergrund selbstverständlich. Wie damals bin ich auch heute davon überzeugt, dass ich als Schwuler gegenüber Lesben in der Gesellschaft privilegierter bin – allein wegen der Tatsache, dass ich als Mann wahrgenommen werde.

Folgende Geschichte hat sich bereits vor ein paar Jahren zugetragen. Eine Kundin betritt unser Geschäft. Wir kennen uns und ich begrüsse sie freudig mit drei Küsschen. Nachdem die Kundin das Geschäft verlassen hat, kommt ein Arbeitskollege auf mich zu. «Darf ich dich was fragen?». «Natürlich», sage ich. «Ist Frau C. lesbisch?». «Wie kommst du darauf?», frage ich zurück. «Weil du sie geküsst hast!». Und er ergänzt – während ich schon ungläubig den Kopf schüttle: «Und sie ist hübsch. Ich hätte nie gedacht, dass Lesben so hübsch sein können!». Nach einem kurzen Vortrag meinerseits ist meinem Arbeitskollegen – wie ich im Verlaufe der darauffolgenden Jahre feststellen konnte – ein Licht aufgegangen.

Auch bei der Diskussion um die «Ehe für alle» zeigt sich, wie wichtig lesbische Sichtbarkeit ist. Es kann und darf nicht sein, dass verheiratete Frauenpaare von der Samenspende ausgeschlossen werden. Da mit Männern verheiratete Frauen bereits heute Zugang zur Samenspende haben, ist ein Ausschluss eine grobe Ungleichbehandlung und nicht akzeptierbar.

Es ist nicht in Ordnung, dass Lesben gleich doppelt diskriminiert werden: Als Frau und als Lesbe. Und es auch nicht Ordnung, dass Lesben in der heteronormativen und von Männern dominierten Welt sexualisiert werden. «Lesbe» ist einer der auf Pornoseiten am Meisten eingegebene Suchbegriff …

Und gerade diese beiden Tatsachen geht uns alle an!