Ein Schritt nach vorne – und einer zurück

Heute Vormittag hat sich der Ständerat deutlich für eine Vereinfachung der Änderung des Geschlechtseintrages von intergeschlechtlichen und trans Menschen ausgesprochen – aber auch gegen die Selbstbestimmung von trans und intergeschlechtlichen Minderjährigen und Menschen unter umfassender Beistandschaft.

Die beiden Organisationen InterAction und Transgender Network Switzerland sind zwar erfreut über das erleichterte Verfahren, aber auch entrüstet über den vor allem für Minderjährige verheerenden Rückschritt. Sie fordern den Nationalrat dringend zur Korrektur auf.

Mit 31 zu sieben Stimmen bei sieben Enthaltungen sprach sich der Ständerat deutlich dafür aus, dass der Geschlechtseintrag im Zivilstandsregister mittels einer einfachen Erklärung geändert werden können soll. Dadurch wird es trans und intergeschlechtlichen Menschen erleichtert, Dokumente zu erhalten, die ihre gelebte Geschlechtsidentität widerspiegeln. Eine Änderung, die grosse Auswirkungen auf ihren Alltag hat, werden sie doch sonst mit jedem Vorzeigen eines Ausweises, Zeugnisses, etc. gezwungen, sich zu outen. Heute muss für diese Änderungen ein uneinheitliches, kompliziertes und belastendes Gerichtsverfahren durchlaufen werden. Ein langer und teurer bürokratischer Leerlauf, da die Gerichte praktisch alle Gesuche gutheissen.

Völlig unverständlich ist hingegen, dass eine Mehrheit des Ständerates gleichzeitig Minderjährigen und Menschen unter umfassender Beistandschaft Rechte wegnehmen will. Heute beantragen diese, wenn sie urteilsfähig sind, die Änderung ihres Geschlechtseintrages selbständig. Eine Zustimmung der Eltern respektive gesetzlichen Vertretung brauchen sie nicht. Obwohl dies in der Praxis zu keinen Problemen führt und sich alle Beteiligten für die bisherige Lösung einsetzen, will der Ständerat künftig die Zustimmung der Eltern respektive gesetzlichen Vertretung für alle Minderjährigen und Menschen unter umfassender Beistandschaft voraussetzen, sowohl für urteilsfähige als auch urteilsunfähige.

Die Empörung bei Alecs Recher, der als Leitung der Rechtsberatung von Transgender Network Switzerland bereits mehrere hundert Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags begleitet hat, ist gross: «Urteilsfähig sind Minderjährige dann, wenn sie verstehen, was die Änderung des Geschlechtseintrages bedeutet und dies von sich aus wollen. Wenn Eltern künftig diese Änderungen verhindern können, dann werden innerfamiliäre Konflikte unnötig befeuert und die Jugendlichen einem grossen Risiko von Mobbing, Diskriminierung und Suizid ausgesetzt. Das kann doch niemand wollen!» Trans und intergeschlechtliche Minderjährige beschäftigen sich von klein auf mit ihrer Geschlechtsidentität und erleben konstant, was der unpassende Eintrag in ihren Dokumenten macht. Sie sind Expert*innen in dieser Frage und in ihrer Geschlechtsidentität gefestigt.

Audrey Aegerter, Präsidentin von InterAction, unterstreicht: «Besonders für intergeschlechtliche Minderjährige wäre es brutal, wenn ihre Eltern auch noch über die Änderung des Geschlechtseintrages entscheiden könnten. Denn unser Geschlecht, unsere Körper werden oft von Geburt an pathologisiert und von Ärzt*innen und Eltern komplett fremdbestimmt. Es darf nicht sein, dass uns die Politik nun auch noch die Autonomie über den Geschlechtseintrag wegnimmt!»

Die Vorlage geht nun an den Nationalrat als Zweitrat.

Gemäss einer Medienmitteilung