Brot und Spiele

In drei Jahren werden nun also die EuroGames bei uns im gemütlichen Bern stattfinden. Sportler*innen aus ganz Europa werden gegeneinander antreten – mit dem einen Ziel, zuoberst auf dem Podest zu stehen! Natürlich wird hochoffiziell nicht der Kampf um Sieg, Ruhm und Ehre im Vordergrund stehen. Entsprechend auch das wohlüberlegte Motto «Come out and play!».

Und hinter dem Motto steckt eine grossartige Aussage: Komm raus aus dem Schrank, zeig dich, sei ein Vorbild – und dabei wollen wir doch nur spielen. So werden wohl die sportlichen Menschen schon jetzt mit einem harten Training starten, im Hinterkopf einprogrammiert die Botschaft: «Ich werde mich während den EuroGames in Bern für Vielfalt und Inklusion einsetzen».

Mein bösartiges Teufelchen in meinem Hirn denkt allerdings: «Blödsinn, die wollen einfach aufs Siegerpodest, einen anderen Grund kann es gar nicht geben».

Doch, es gibt noch andere Gründe. Diese kann mensch deutlich in den Augen unseres Stadtpräsidenten Alec von Graffenried lesen. In seiner Videobotschaft preist er unsere kleine Stadt in blumigen Worten: «Bern is a very green and a very beautiful City». Und während sich im Juli 2023 die angereisten Sportler*innen für Ruhm und Ehre «auskotzen», wird das Bild einer Stadt voller Vielfalt und Inklusion in die queere Welt hinausgetragen. Was für ein toller Werbespot für Bern, denkt sich nicht nur der Stadtpräsident, sondern auch das Tourismus-Büro. Die Stadt Bern wird in ein Meer von Regenbogenfahnen getaucht sein. Sogar die Trams und Busse werden mit Fähnchen geschmückt und die Stadtverwaltung wird wiederum den einen und anderen Fussgängerinnenstreifen mit regenbogenfarbigen Streifen ergänzen.

2017: Während der Pride in Bern vor dem Bundeshaus.

Das Geld dafür wird gut investiert sein. Gleichzeitig schiebt der Berner Gemeinderat aber eine Motion von Stadträtin Tabea Rai und Stadtrat Mohamed Abdirahim vor sich hin, die verlangt, dass jeweils am 17. Mai – am «International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia» – mit Regenbogen- und Transfahnen beflaggt wird. «Das Thema ist nicht einmal eine ausführliche Antwort wert», sagte am vergangenen 17. Mai die enttäuschte Stadträtin Tabea Rai. Mit einer Pride oder mit einer queeren Sportveranstaltung ist eben für nationales und internationales Aufsehen gesorgt und da ist ein «queerfriendly»-Image immer gut. Und mir kommt das böse Wort «Pinkwashing» in den Sinn.

Fairerweise sei allerdings erwähnt, dass die Stadt Bern in Sachen «Gleichstellung» viel unternimmt. So enthält der mittlerweile dritte Aktionsplan für die städtische Gleichstellungspolitik erstmals auch Massnahmen zur Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, intergeschlechtlichen und weiteren queeren Menschen. Und auch der Rat für Senior*innen der Stadt Bern – er soll den Gemeinderat bei alterspolitischen Fragen beraten und unterstützen – sollen queere Menschen vertreten sein. Die Suche nach entsprechend engagierten Menschen ist allerdings sehr schwierig, «Brot und Spiele» sind wohl wichtiger als politische Arbeit … Der Ausdruck «Brot und Spiele» stammt übrigens vom römischen Dichter Juvenal, der sich beklagte, dass sich das römische Volk nicht mehr für Politik interessiere und eben nur noch für «Brot und Spiele».

Und während den Games selber werden die anwesenden queeren Menschen vor und nach den Wettkämpfen durch die Altstadt schlendern, voller Bewunderung, weil doch eben die Regenbogenfahnen wunderbar zu den ehrwürdigen Fassaden passen (ganz klar besser, als die Figur an der Fassade der Zunft zum M***). Vielleicht werden sie dabei gar nicht bemerken – sondern erst bei einem nächsten Besuch – dass in Bern die queere Szene immer kleiner wird und sich langsam auflöst. Ein Schicksal, dass nicht nur unsere Stadt ereilt hat, sondern auch andere Städte – vielleicht grad so wie heute immer weniger «katholisch» geturnt wird.

Die Spiele mögen beginnen!