Ein Bild mit Beton-Stelen und der Text: «Mit einem JA zur Begrenzungsinitiative wird die Schweiz nicht weiter zubetoniert». Wir werden am 27. September an der Urne darüber abstimmen.
Besonders irritierend am Kampagne-Sujet der SVP für ihre «Begrenzungsinitiative» ist das gewählte Symbolbild im Hintergrund. Ich stand schon mehrmals tief beeindruckt mitten dieser 2711 Beton-Stelen in Berlin Mitte, die an die Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nationalsozialisten erinnern. Für mich ist es daher schlicht unbegreiflich, dass ein Bild des Holocaust-Mahnmals derart missbraucht werden kann.
Eingeweiht wurde das Stelenfeld feierlich 2005. Der Entwurf für den Gedenkort stammt vom Architekten Peter Eisenman. Die dunkelgrauen Betonquader stehen in einem Raster eng beieinander und sind leicht schief angeordnet. Eisenmann wollte damit einen «ortlosen Ort» schaffen. Im Sinne eines offenen Kunstwerks solle sich das Mahnmal in der subjektiven Reaktion des Besuchers vollenden.
Nur einfach ein Fehler?
Es sei der SVP des Kantons Zürich «nicht bewusst gewesen, worum es sich auf dem verwendeten Symbolbild handelt», war die Ausrede der Partei. «Wir entschuldigen uns bei allen Menschen, deren Gefühle wir allenfalls mit diesem Fehler verletzt haben». (Übrigens kann mensch sich nicht entschuldigen, sondern «allenfalls» um Entschuldigung bitten.) Sigmount A. Königsberg ist Antisemitismus-Beauftragter der Jüdischen Gemeinde in Berlin. Ihn zitiert die Berliner Zeitung: «Vor dem historischen Hintergrund, dass die Schweiz im Zweiten Weltkrieg ihre Grenzen schloss (sie hätte etwa 20’000 bis 25’000 Menschen retten können) und so eine Mitverantwortung an der Shoah trägt, ist die Nutzung des Bildes vom Holocaust-Mahnmal umso verwerflicher – insbesondere angesichts dieser Kampagne der SVP die Zuwanderung in die Schweiz zu begrenzen». (Shoah, hebräisch für «Unheil» oder «Katastrophe».)
Die alt bewährte SVP-Leier
Meine Facebook-Bubble geht mit mir einig: Erst einmal kräftig provozieren, alle ärgern sich darüber, dann die heuchlerische Entschuldigung. Immer und immer wieder die Grenze des Anstandes durchbrechen und danach «Entschuldigung, da ist uns ein Fehler unterlaufen».
Auch irritierend: Die Ausländer*innen sind also schuld daran, dass wir immer mehr Wohnraum brauchen. Wirklich?
In meiner Wohngemeinde Zollikofen wohnen 10’000 Menschen. Die Planer waren mal vor ein paar Jahren der Meinung, dass in Zollikofen 30’000 Menschen wohnen werden. Um nicht noch die letzten Grün- und Waldflächen zu überbauen, wächst Zollikofen nun nach innen. Ältere Häuserblöcke werden abgerissen und durch neue Häuser «verdichtet» ersetzt.
Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen
In der Nähe des Holocaust-Mahnmals steht im Berliner Tiergarten das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen. Das Denkmal soll die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus ehren und zugleich «ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen». Es wurde von Michael Elmgreen und Ingar Dragset gestaltet und 2008 feierlich eingeweiht. Das Denkmal zeigt in einem Fenster jeweils einen Film mit Kussszenen zwischen Männer- und Frauenpaaren. Am Denkmal befindet sich zudem eine Gedenktafel, die auch an das Fortdauern der Verfolgungen in der Bundesrepublik und der DDR erinnert.
Lange Zeit blieben die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus aus der Gedenkkultur beider deutscher Nachkriegsstaaten ausgeschlossen. Noch jahrelang wurden Homosexuelle in der BRD und in der DDR strafrechtlich verfolgt. Der Paragraf 175 des deutschen Strafgesetzbuches existierte in der DDR bis 1989. Erst nach der Wiedervereinigung wurde 1994 der Paragraf auch für das Gebiet der alten Bundesrepublik ersatzlos aufgehoben.