Selbstbestimmte Änderung des Geschlechtseintrags – aber nicht für alle

Heute Morgen sprachen sich der Ständerat und der Nationalrat in der Schlussabstimmung dafür aus, dass trans und intergeschlechtliche Menschen ihren Geschlechtseintrag auf einfache Weise berichtigen lassen können. TGNS und InterAction Suisse sind erfreut – aber auch schockiert, dass Bundesrat und Parlament dabei die Rechte und das Wohl von Minderjährigen mit Füssen treten.

Noch vor wenigen Jahren musste fortpflanzungsunfähig sein, wer in der Schweiz den Geschlechtseintrag ändern lassen wollte. Dank der Arbeit von TGNS sind diese massiven Menschenrechtsverletzungen Geschichte. Künftig werden Menschen, deren amtliches Geschlecht nicht ihrer Geschlechtsidentität entspricht, den Eintrag mittels Erklärung auf dem Zivilstandsamt unbürokratisch ändern lassen können. Dadurch wird das Verfahren schweizweit einheitlich, besser zugänglich, schneller und vor allem allein auf dem Wissen der Person, welches Geschlecht sie hat, basieren. Und die langwierigen, teuren und komplizierten Gerichtsverfahren mit teils ungebührlich intimen Anhörungen werden endlich Geschichte.

Die Freude darüber, dass die Schweiz damit den aktuellen Menschenrechtsstandard für erwachsene intergeschlechtliche und trans Menschen erreicht, ist bei den betroffenen Communities jedoch stark getrübt. Denn im Unterschied zu heute können unter-16-jährige und Menschen unter umfassender Beistandschaft die Änderung künftig nur noch mit Zustimmung der gesetzlichen Vertretung beantragen, selbst wenn sie urteilsfähig sind. Sie sind damit die einzigen, deren höchstpersönliche Rechte auf diese Weise eingeschränkt werden, obschon die Änderung des Geschlechtseintrages niemand anderes betrifft als sie selbst.

«Heute könnte ein grosser Freudentag sein für uns: Ein auf Selbstbestimmung beruhendes Verfahren wünschen wir uns seit Jahren», kommentiert Audrey Aegerter, Präsidentin von InterAction Suisse, die verabschiedete Vorlage. «Doch heute sind wir vor allem erschüttert über den Umgang des Parlaments mit intergeschlechtlichen und trans Jugendlichen. Die heutige Entscheidung verschlechtert die Situation von Jugendlichen massiv und widerspricht den Kinderrechten. Mit dieser Entscheidung provoziert das Parlament – bewusst – grosses Leid einer Minderheit und lässt Konflikte in Familien eskalieren.» Und Alecs Recher, der die Rechtsberatung von TGNS leitet, ergänzt mit Blick auf die Umsetzung: «Wir werden alle Jugendlichen und verbeiständeten trans und intergeschlechtlichen Menschen unterstützen, damit sie trotz dieser neuen Hürde den korrekten Geschlechtseintrag erhalten! Bundesrätin Keller-Suter und das Parlament fordern wir auf, die praktischen Auswirkungen des Zustimmungserfordernisses zu beobachten und die notwendigen Korrekturen vorzunehmen.»

Die heutige Entscheidung betrifft nur den Eintrag im Personenstandsregister, nicht aber körperliche Eingriffe. Insbesondere werden durch die verabschiedete Gesetzesrevision intergeschlechtliche Menschen, besonders Kinder, nicht vor medizinisch unnötigen, nicht dringenden Eingriffen zur Veränderung der Geschlechtsmerkmale geschützt. Hierzu muss in den nächsten Jahren ein explizites Verbot erlassen werden.

Gegen den Entscheid kann das Referendum ergriffen werden; über den Zeitpunkt des Inkrafttretens wird der Bundesrat entscheiden.

Gemäss einer Medienmitteilung