«Ehe für alle»: Die SVP hat es noch nicht begriffen

Gerade hat mich eine Medienmitteilung erreicht. Darin steht, dass die Bundeshausfraktion der SVP beschlossen habe, die Motion «Zweiwöchiger ‹Vaterschaftsurlaub› für alle Paare» abzulehnen. Die Annahme dieser Vorlage diene den Befürwortern als Rechtfertigung für immer weitergehende Forderungen.

Vorgeschichte

Eigentlich ist alles klar: Mit der Annahme der «Ehe für alle» mit einer Volksabstimmung im vergangenen September erhalten verheiratete Frauenpaare Zugang zur Samenspende und das Kind hat somit zwei Eltern, die seit der Geburt anerkannt sind. Und ein Jahr zuvor haben die Stimmberechtigten dem Vaterschaftsurlaub zugestimmt. Somit können Väter in den sechs Monaten nach der Geburt des Kindes einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen beziehen.

Die gesetzliche Vorlage ist klar (oder doch unklar): «Der Bezüger der Vaterschaftsentschädigung muss der rechtliche Vater des Kindes sein. Das Kindesverhältnis entsteht durch Eheschliessung mit der Mutter, durch Vaterschaftsanerkennung oder durch ein Gerichtsurteil. Bei Adoption besteht kein Anspruch auf Vaterschaftsentschädigung.»

Motion

Wie schnell Gesetze veralten und angepasst werden müssten, zeigt die Sache mit dem «Vaterschaftsurlaub» deutlich: Das Gesetz zum Vaterschaftsurlaub trat am 1. Januar 2021 in Kraft, die Vorlage «Ehe für alle» wurde vom Parlament im Dezember 2020 verabschiedet – und ein «Vaterschaftsurlaub» für die Ehefrau der Mutter war somit nicht vorgesehen. Diese Ungleichbehandlung will die am 1. Oktober dieses Jahres von Lisa Mazzone (Grüne) im Ständerat eingebrachte Motion «Zweiwöchiger ‹Vaterschaftsurlaub› für alle Paare» korrigieren.

SVP

Wie nun die SVP in ihrer Medienmitteilung schreibt, sei mit dem Ja zur «Ehe für alle» die «Büchse der Pandora geöffnet» worden – die SVP lehne die «Salamitaktik von Linksgrün» und somit die Motion ab: «Die Annahme der Vorlage dient den Befürwortern als Rechtfertigung für immer weitergehende Forderungen – mögen diese noch so absurd sein, wie etwa die Ausdehnung des Vaterschaftsurlaubes auf lesbische Paare». Die SVP habe den staatlich verordneten und von der Allgemeinheit zu finanzierenden Vaterschaftsurlaub von Anfang an bekämpft, da er der Wirtschaft und dem Steuerzahler «Hunderte von Millionen Franken» koste. Dass der «Kreis der Profiteure nun noch auf lesbische Paare ausgedehnt werden soll», lehne die SVP entschieden ab.

Offenbar hat die SVP noch nicht begriffen: Die Öffnung der Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare bedeutet, dass die Ehe «für alle» ist – mit allen Rechten und Pflichten, die so eine Ehe mit sich bringt. Ausgerechnet jetzt verheiratete Frauenpaare ungleich zu behandeln, entbehrt jeder Grundlage und Logik.

Bundesrat

Auch der Bundesrat lehnt die Motion «Zweiwöchiger ‹Vaterschaftsurlaub› für alle Paare» ab und begründet diesen Entscheid in einer Stellungnahme vom 17. November 2021 wie folgt:

«Mit Inkrafttreten der ‹Ehe für alle› erhält die Ehefrau der Mutter – ebenso wie der Ehemann der Mutter – einen rechtlichen Status als Elternteil. Deshalb sind die Bestimmungen zum Vaterschaftsurlaub und zur Vaterschaftsentschädigung sinngemäss auf diesen anderen Elternteil anzuwenden.»

Das BSV (Bundesamt für Sozialversicherungen) passe derzeit die Weisungen zuhanden der Durchführungsstellen an, um die Neuerungen durch die «Ehe für alle» in allen Sozialversicherungen, die in der Zuständigkeit des BSV liegen, zu berücksichtigen. «Der Anspruch auf die Vaterschaftsentschädigung ist damit bereits gewährleistet.»

Also ist die ganze Aufregung nur ein Problem der korrekten Begrifflichkeiten? Oder vielleicht sogar ein Problem unserer strikten binären Einteilung in «weiblich» und «männlich»?