Am nächsten Donnerstag, 23. Juni trifft sich der Berner Stadtrat zu einer Monsterdebatte. Und auf der Traktandenliste viele spannende Motionen, die vor allem uns queere Menschen betreffen. So etwa die Motion «Sicherstellung des Beratungsangebots für LGBTI-Community» – eingereicht vor fünf Jahren …
Ein Zeichen gegen Homo- und Transphobie
An 17. Position der umfangreichen Traktandenliste steht die von Mohamed Abdirahim und Tabea Rai 2018 eingebrachte Motion «Die Stadt Bern setzt ein Zeichen gegen Homo- und Transphobie und Diskriminierung wegen der Geschlechtsidentität und/oder sexuellen Orientierung (2018.SR.000086)». Die Idee dahinter: Jeweils am 17. Mai – am IDAHOBIT (International Day against Homophobia, Biphobia and Transphobia) – soll die Stadt Bern mit Regenbogen- und Transfahnen geschmückt werden. Der IDAHOBIT erinnert an den 17. Mai 1990. An diesem Tag beschloss die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel der Krankheiten zu streichen.
In meinem Blog notierte ich am 17. Januar 2019 zur Motion: «Jeweils im Frühling strömen sie nach Bern an die BEA – die Bäuerinnen und Bauern … und die Stadt versinkt in einem Meer von Schweizer- und Bernerfahnen. Dabei gibt es in der Schweiz mehr queere Menschen als Bäuerinnen und Bauern!»
Sicherstellung des Beratungsangebots für LGBTI
An 18. Position steht die Motion «Sicherstellung des Beratungsangebots für die LGBTI-Community (2017.SR.000111)». Ziel dieser 2017 eingebrachten Motion war eigentlich – nachdem der Kanton Bern die finanziellen Zuwendungen gestrichen hatte –, das Beratungsangebot der Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern HAB (heute hab queer bern) zu retten.
Meine Erkenntnis aus dieser langwierigen Geschichte: Schnelle Hilfe auf politischem Weg? Es ist schwierig!
Hürden für non-binäre Menschen abbauen
Traktandum 19: Die im Februar 2021 von Mohamed Abdirahim, Valentina Achermann, Eva Gammenthaler und Ursina Anderegg eingebrachte Motion «Hürden für non-binäre Menschen abbauen (2021.SR.000053)» bittet den Gemeinderat, dass sämtliche städtischen Systeme, in denen Personaldaten erfasst werden, durch eine dritte geschlechtsneutrale Option (z.B. «divers») zu ergänzen und auf allen städtischen Formularen (auf Papier wie auch online) eine dritte geschlechtsneutrale Option zu schaffen.
Diese Motion müsste in meinen Augen subito umgesetzt werden – zumal die Stadt Bern doch soeben das Qualitätssiegel «Swiss LGBTI-Label» erhalten hat. Das Label erhalten Organisationen, die sich für die innerbetriebliche Gleichstellung von LGBTI-Personen einsetzen. Somit müsste eigentlich die Erfassung einer dritten Option – nebst «männlich» und «weiblich» – bei «ausserbetrieblichen» Personaldaten selbstverständlich sein …
Grundrechte von trans Personen
Geschäft 20 auf der Traktandenliste ist das Postulat: «Massnahmen zur Gleichstellung und zur Sicherung der Grundrechte von trans* Personen (2018.SR.000263)». Es wurde 2018 von Patrick Zillig, Tabea Rai, Zora Schneider, Milena Daphinoff, Ursina Anderegg, Marcel Wüthrich und Mohamed Abdirahim eingebracht. Damit wird der Gemeinderat aufgefordert zu prüfen, wie in Zusammenarbeit mit trans Organisationen umfassende Massnahmen zur Gleichstellung und Sicherung der Grundrechte von trans Personen erarbeitet und im Rahmen des Aktionsplans zur Gleichstellung von Mann und Frau integriert und umgesetzt werden können.
Auch hier: Eine Stadt, die die Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann längstens für LGBTIQ-Menschen erweitert hat und Mitglied vom Rainbow Cities Network ist, sollte die Forderungen dieses Postulats längstens umgesetzt sein – zumal im Aktionsplan 2019–2022 bereits acht Massnahmen zur Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, intergeschlechtlichen und weiteren queeren Menschen aufgeführt sind.
Situation LGBT-Geflüchtete in Bern
An 21. Stelle der Traktandenliste steht die Interpellation von Tabea Rai betreffend «Situation der LGBT-Geflüchteten in Bern – Einschätzung der Problemlage und Bereitschaft für ein Engagement beim Bund betreffend Anerkennung der Fluchtgründe im Asylgesetz und für die Erarbeitung von Lösungen mit anderen Gemeinden (2018.SR.000218)».
Das Schweizer Asylgesetz anerkennt die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht explizit als Fluchtgrund. Dies, obschon es noch viele Länder gibt, in denen auf «homosexuelle Handlungen» oder eine «falsche» Geschlechtsidentität die Todesstrafe steht, obwohl an vielen Orten Verfolgung durch die Zivilbevölkerung droht.
Die Scham der LGBT-Geflüchteten, über das Erlebte gegenüber den Behörden oder Dolmetschenden aus demselben Kulturkreis zu sprechen, die Isolierung in den Asylunterkünften oder schon nur die Nutzung der sanitären Einrichtungen für trans Menschen: Die Probleme sind vielfältig. Die Sensibilisierung für die Thematik fehlt den Behörden.
Tabea Rai fordert darum, dass sich die Stadt Bern für die Verbesserung der Situation von LGBT-Geflüchteten nicht nur in der Stadt, sondern auch in der ganzen Schweiz einsetzt.
Werden Männer im Marzilibad diskriminiert?
Spannend finde ich die Interpellation von Thomas Glauser mit der Nummer 22 der Traktandenliste der Debatte des Stadtrates vom nächsten Donnerstag. Die Frage, die SVP-Stadtrat beantwortet haben möchte: Werden Männer im Freibad Marzili diskriminiert (2020.SR.000051)?
Bekanntlich setze sich die Stadt Bern konsequent für die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, intergeschlechtlichen und weiteren queeren Menschen ein. Doch: «Bekanntlich musste … im Zuge der Renovation des ‹Buebeseeli› im Marzilibad das alte Männerbad weichen, mit dem Resultat, dass der bisherige Ruhebereich für Männer ersatzlos aufgehoben wurde. Somit ist es Männern nicht mehr möglich, im Marzilibad einen FKK-Nacktbereich aufzusuchen, welcher vor allem auch – aber nicht nur – von gleichgeschlechtlich orientierten Männern sehr geschätzt wurde», schreibt Thomas Glauser in seiner Interpellation. Dabei sei das «Paradiesli» als Frauennacktruhebereich erhalten geblieben.
Nun will Stadtrat Glauser vom Gemeinderat u.a. die Frage beantwortet haben, ob sich die Stadtregierung «nicht den Vorwurf der Männerdiskriminierung (vor allem, aber nicht nur, von gleichgeschlechtlich orientierten Männern)» gefallen lassen müsse.
Am 8. Juli 2019 wies ich in meinem Blog unter dem Titel «Bei den Herren vom anderen Ufer im Marzili» darauf hin, dass mit der Sanierung des «Bueber» die schwule Oase «Zwätschgegrill» verschwunden sei und eben hab queer bern in den 1980ern sogar einen Film über den «Zwätschgegrill» gedreht habe. Ich machte den Vorschlag, dass doch die Stadt bis spätestens 2022 – rechtzeitig zum 50. Jubiläum der Vereinsgründung von hab queer bern – eine Gedenktafel anbringen könnte. «Wer hilft mit, im Berner Stadtrat Verbündete dazu zu suchen», fragte ich damals in die Runde. Vielleicht hilft ja SVP-Stadtrat Thomas Glauser dabei …