Mein Wort zum Sonntag: Konversionstherapien, Bratwurst und Bier

In der vergangenen Woche lernten wir, dass Konversionstherapien, Wahlen, Politik, ein bibeltreuer Lehrer, die «Schweizerzeit», die Rassismus-Strafnorm, ein homophober Torwart, Bratwurst, Bier und «enge Kontakte» zu homosexuellen Menschen irgendwie zusammengehören.

Sogenannte Konversionstherapien sind nicht nur fragwürdig, schädlich und traumatisierend – sie können auch tödlich sein. Sie haben keinen therapeutischen Nutzen, vielmehr benötigt es danach jahrelange Psychotherapien, um dieses Trauma aufzuarbeiten und sich selbst akzeptieren zu können. Denn: Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität können weder verändert noch unterdrückt werden. Dieser Meinung ist auch die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates – und hat deshalb eine Kommissionsmotion beschlossen, mit welcher der Bundesrat beauftragt wird, die Rechtsgrundlagen für ein Verbot von Konversionsmassnahmen zu schaffen.

Über die soeben eingebrachte Kommissionsmotion müssen zuerst der Nationalrat, danach der Ständerat debattieren. Sind sich beide Räte einig und stimmen der Motion zu, wird der Bundesrat eine entsprechende Gesetzesvorlage erarbeiten. Das wird wohl auch bei der wichtigen Frage nach einem Verbot von Konversionstherapien dauern …

Das Verbot von Konversionsmassnahmen muss also nun im Nationalrat und im Ständerat eine Mehrheit finden. Und die Personen, die in diesen beiden Räten sitzen, werden durch die Stimmberechtigten gewählt – also von mir und hoffentlich auch von dir. Die nächsten Wahlen finden in 13 Monaten statt – genauer am 22. Oktober 2023!

Woher der Wind weht!

Am 7. März 2013 reichte Nationalrat Mathias Reynard die Parlamentarische Initiative «Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung» ein. Ziel des SP-Politikers aus dem Wallis war, dass im Strafgesetzbuch nicht nur Rasse, Ethnie und Religion vor Diskriminierung und dem Aufruf zu Hass geschützt sind, sondern auch die sexuelle Orientierung. Im September 2018 waren sich Nationalrat und Ständerat schlussendlich einig: Die Rassismus-Strafnorm soll erweitert werden. Gegner*innen der Vorlage sprachen von einem «Zensurgesetz» und ergriffen das Referendum. Am 9. Februar 2020 stimmten schlussendlich 63 Prozent die Stimmberechtigten der Erweiterung zu – diese wurde am 1. Juli 2020 in Kraft gesetzt.

Ein Jahr später, an einem Samstagnachmittag im Juni 2021, predigte ein 63-jähriger Lehrer an der Zürcher Bahnhofstrasse mit lauter Stimme, zitierte Bibelstellen und bezeichnete Homosexualität mit Bezug auf das Evangelium als «Gräuel», gleichgeschlechtliche Beziehungen hätten vor Gott keine Gültigkeit, gleichgeschlechtliche Liebe sei eine «böse Lust» und eine «schändliche Begierde». Passanten alarmierten die Polizei, der bibeltreue «Christ» wurde abgeführt. Ende Juli dieses Jahres wurde er vom Bezirksgericht Zürich zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Aussagen seien nicht mehr tolerierbar.

Das bürgerlich-konservative Magazin «Schweizerzeit» fühlt sich mit dem Urteil in der Ausgabe vom 19. August 2022 darin bestätigt, was im Abstimmungskampf um die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm von «EDU, SVP, wertebewussten Christen und wachen Liberalen» befürchtet wurde: Die Religionsfreiheit ist endgültig in Gefahr!

Die «Schweizerzeit» schreibt: «Im Abstimmungskampf haben wir davor gewarnt, dass das öffentliche Zitieren von Bibelversen zur Homosexualität vermehrt als Verstoss gegen das Zensurgesetz missdeutet werden könnte». Die Bemerkung bei der Urteilverkündung durch den Richter, dass die Ansichten des Angeklagten «in Mitteleuropa nicht mehr zeitgerecht» sind, sei «bemerkenswert»: «Nun entscheiden Schweizer Gerichte also schon, welche Überzeugungen als angeblich zeitgemäss gelten – und bestrafen jene, die abweichen». Eine solche Gesinnungsjustiz dürfe nicht akzeptiert werden.

Bratwurst und Bier

Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte in dieser Woche ein 28-jähriger Fussballer. In zwei Interviews kritisierte der Torwart des FC Luzern seine Vordermänner (?) mit den Worten: «Dieses schwule Weggedrehe geht mir tierisch auf den Sack». Dann kriege er halt mal einen Ball in die Eier oder in die Fresse. In diesem Kontext war das Wort «schwul» als klare Abwertung gemeint. Der Fussballer empfindet das Abdrehen seiner Verteidiger als «schlecht» oder «falsch» und ersetzt dabei diese Worte mit «schwul».

Der Vorfall zeigt auf, wie stark eigentlich das Wort «schwul» als Schimpfwort noch immer in unseren Strukturen verankert ist. Auch wenn nun der FC Luzern seine Spieler beim nächsten Spiel mit Regenbogenbinden übers Spielfeld rennen lassen sollte und im Stadion Regenbogenfahnen aufhängt, ändert sich nichts daran. Eine Sensibilisierung müsste doch eigentlich bereits im Jugendalter passieren, denn bereits auf dem Pausenplatz wird offenbar «schwul» negativ verwendet – wie notabene auch «behindert».

«Es macht einen Unterschied, ob eine solche Aussage gefühlte zweieinhalb Minuten nach dem Abpfiff getätigt wird, oder aber einige Stunden nach dem Spiel, vielleicht sogar erst am nächsten Tag», schreibt die Webseite «Reitschuster», die sich für kritischen Journalismus einsetzt. Emotionen gehörten zum Fussball wie die Bratwurst und das Bier. Der Torwart der Luzerner sei ein Opfer der Ideologie der Regenbogen-Community, die «stets Ausschau nach neuen Opfern halte» – und nun habe es eben den deutschen Torwart des FC Luzern erwischt.

Der FC Luzern – gemäss Angaben des Präsidenten des Clubs – wird nun einen Experten hinzuziehen, der bei den Teams auf die Konsequenzen von «solchen Aussagen» hinweisen und vor allem auch Aufzeigen soll, «was solche Aussagen bei Betroffenen auslösen können». Im Statement des Präsidenten ist auch zu lesen, dass der Torwart zwar einen «groben Fehler» gemacht hat, der weder zur Haltung des Clubs noch zum Torwart passe – sei dieser doch ein «offener und ehrlicher Zeitgenosse» der persönlich sogar «enge Kontakte zu homosexuellen Menschen» habe.