Heute ist bereits der dritte Advent. Das sei eine besinnliche Zeit, habe ich irgendwann gelernt, obschon ich nie die Sonntagsschule besuchen musste. Für mich aber bedeuten die Wochen vor Weihnachten eigentlich viel Arbeit – und viele Weihnachtsessen …
Für die Mitglieder des Berner Stadtrat organisiert jeweils diejenige Person das Weihnachtsessen, die den Stadtrat präsidiert. In diesem Jahre ist dies Manuel C. Widmer (GFL). Und in diesem Jahr wurde Berner Platte serviert. Damit will er an die Tradition anknüpfen, dass an jenem Anlass früher immer Suurchabis serviert wurde, lese ich im gestrigen Hauptstadt-Brief der Hauptstadt.
Am Jubiläumsfest von hab queer bern am 17. September war Stadtratspräsident Widmer natürlich eingeladen, musste aber wegen «Corona» kurzfristig absagen. Dabei war aber die Stadtratspräsidentin von 1996. Barbara Geiser erzählte auf der Bühne, dass sie eben damals das traditionelle Suurchabisessen im anderLand der damaligen Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern durchführte – und damit für grossen Wirbel sorgte. Einige Ratskolleg*innen rechts von Barbara schimpften «Provokation» und die damals noch drei Berner Tageszeitungen berichteten ausführlich über das Essen am «anderen Ufer». Und ich bin jetzt natürlich überzeugt, dass Manuel die Idee am diesjährigen Jahresabschlussessens wieder mal Suurchabis zu servieren dank dieser Anekdote aus der Geschichte von hab queer bern hatte.
Advent, Advent,
ein Lichtlein brennt.
Am letzten Montag dürfte ich zusammen mit Martin Dobler in Stellvertretung der Arbeitsgruppe «schwul60plusminus» von hab queer bern den Berner Sozialpreis – überreicht von Gemeinderätin Franziska Teuscher – entgegennehmen. Jedes Jahr zeichnet die Stadt Bern unter dem Motto «Gemeinsam aktiv, zusammen stark» ausgewählte Freiwilligenprojekte aus. In diesem Jahr – zusammen mit weiteren vier Projekten – eben die Initiative «schwul60plusminus».
Alle fünf Projekte, die ausgezeichnet worden sind, stehen für das grosse und vielfältige freiwillige Engagement in der Stadt Bern und tragen somit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, zur Diskriminierungsfreiheit sowie zur sozialen und kulturellen Teilhabe bei. «Der Sozialpreis ist ein Zeichen des Dankes an alle Menschen, die sich in Bern freiwillig engagieren», unterstreicht sie. Auch dank den Freiwilligen sei Bern, was es sei: eine solidarische, vielfältige und engagierte Stadt», betonte Franziska Teuscher in ihrer Ansprache.
Erst eins, dann zwei …
Am Freitag hat der Bundesrat eine erste umfassende Studie zum Gesundheitszustand von LGBT-Personen und ihrem Zugang zur Gesundheitsversorgung in der Schweiz veröffentlicht. «Die Ergebnisse sind ernüchternd», schreiben unsere Dachverbände LOS, TGNS und Pink Cross zusammen mit der Aids-Hilfe Schweiz in einer Medienmitteilung.
Die Ergebnisse der Studie sind die Antwort auf das Postulat von SP-Nationalrätin Samira Marti, die 2019 einen vergleichenden Bericht über die Gesundheit von LGB-Personen gefordert hat. Kernaussagen aus der Studie: Nicht alle Menschen in der Schweiz haben die gleichen Gesundheitschancen; es gibt klare Unterschiede zwischen heterosexuellen Cis-Personen und LGBT-Personen – LGBT-Personen leiden beispielsweise deutlich häufiger an Depressionen.
Grund dafür ist nicht die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität an sich, die die physische und psychische Gesundheit von LGBT-Personen verschlechtern, es sind die negativen Erfahrungen durch Diskriminierung und Stigmatisierung, die sie in ihrem Umfeld und in der Gesellschaft machen.
Mit der Studie wird nun belegt, was wir queeren Personen eigentlich schon wissen und dagegen ankämpften. Nun ist vom Bundesrat rasches Handeln gefordert, nämlich Mittel zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt gegenüber LGBT-Menschen bereit zu stellen.
dann drei, dann vier …
Will ich als Schwuler mein Blut spenden, darf ich das natürlich – aber nur, wenn ich vorher zwölf Monate keinen Sex mit einem anderen Mann hatte (mit mir selbst oder mit einer Person mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen aber schon). Diese Diskriminierung will Blutspende SRK Schweiz nun beheben und hat deshalb bei Swissmedic eine Änderung der Blutspendekriterien vorgeschlagen: In der ersten Variante sollen schwule und bisexuelle Männer in Zukunft nur noch vier statt zwölf Monate enthaltsam sein müssen. In der zweiten Variante sollen für alle Personen unabhängig der sexuellen Orientierung die gleichen Kriterien gelten.
Die erste Variante bleibt diskriminierend und ist inakzeptabel! Ausschlaggebend, ob nun jemensch Blut spenden darf, sollte das sexuelle Risikoverhalten sein – und nicht die sexuelle Orientierung.
dann steht das Christkind vor der Tür.
Gestern war internationaler Tag der Menschenrechte. Vor 74 Jahren wurde die «Allgemeine Erklärung der Menschenrechte» durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Aber noch immer sind die Menschenrechte von LGBTIQ-Menschen weltweit in Gefahr. In mehr als 68 Staaten wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt, in elf Staaten droht queeren Menschen sogar die Todesstrafe.
Und an vielen Orten werden Diskriminierungen gegenüber queeren Menschen sogar verschärft: Russland hat das «Anti-Propaganda-Gesetz» deutlich verschärft und verbannt queeres Leben damit quasi komplett aus der Öffentlichkeit. Im Iran sind zwei lesbische Aktivistinnen seit September wegen «Verdorbenheit» in Haft, ihnen droht die Todesstrafe.
Die beiden Beispiele aus Russland und dem Iran stehen stellvertretend für die anhaltende Verfolgung und Bedrohung von queeren Menschen weltweit. Und den Politiker*innen in der Schweiz sei deutlich gesagt: Wirtschaftliche Interessen dürfen nie über Menschenrechte stehen.
Und wenn das fünfte Lichtlein brennt,
dann hast du Weihnachten verpennt!