Was bewegt die Generationen und was belastet sie? Wie wird der Zusammenhalt zwischen den Generationen wahrgenommen? Zum dritten Mal hat das Berner Generationenhaus eine repräsentative Umfrage durchgeführt, um den Puls der Schweizer Bevölkerung zu fühlen. In diesem Jahr fällt vor allem auf, dass über die Hälfte der Generation Z (die Generation, die jetzt zwischen 18 und 25 alt ist) einen Graben zwischen den Generationen wahrnimmt.
Wer in den späten 1980ern oder später geboren wurde, geht davon aus, dass die eigene Lebensqualität schlechter ist als jene der Eltern, und schätzt die Lebensqualität der nachfolgenden Generationen noch tiefer ein als die eigene. Das «alte Versprechen», dass jede Generation bessere Lebensbedingungen vorfindet als die vorherige, scheint nicht mehr zu stimmen. Dabei fällt über alle Altersgruppen hinweg gesehen auf, dass der Blick in die Zukunft düster ausfällt: Zwei Drittel der Befragten geben an, eher pessimistisch oder pessimistisch in die Zukunft zu blicken. Bei jungen Menschen zwischen 18 und 25 ist dieser Anteil mit 81 Prozent am höchsten.
Allerdings gibt es in der Schweiz aber eindeutig grössere Probleme als den Generationengraben, denn nur ein Viertel aller Befragten hat den Eindruck, dass die Schweiz zwischen Jung und Alt auseinanderdriftet. Als viel grössere Herausforderung für den Zusammenhalt in der Schweiz werden das Verhältnis zwischen Arm und Reich (70 Prozent), zwischen politisch links und rechts (64 Prozent) und zwischen Stadt und Land (54 Prozent) wahrgenommen.
«Familie und Kinder» als grösster Erfolg im Leben?
Spannend aus meiner queeren Sicht sind die Antworten auf die – offene – Frage nach den grössten Erfolgen im Leben. Diese zeigen klar auf, wie stark das traditionelle Familienbild in der Gesellschaft noch verwurzelt ist. So nennen 31 Prozent der Befragten «Familie und Kinder» als grössten Erfolg in ihrem Leben. Erst an zweiter und dritter Stelle stehen Erfolge im klassischen Sinn – also berufliche Erfolge (20 Prozent) und Ausbildungserfolge (15 Prozent).
Gerade ältere schwule und lesbische Menschen können «Familie und Kinder» kaum als «grössten Erfolg» ihres Lebens bezeichnen – da ein Kinderwunsch bis vor ein paar Jahren gesellschaftlich nicht denkbar war. Kinder entstanden damals höchstens in früheren Beziehungen, der Begriff «Regenbogenfamilien» war noch nicht entstanden, es entstanden aber die ersten Selbsthilfegruppen für «Schwule Väter». Entsprechend fällt für homosexuelle Personen die Lebensversicherung «Kinder» und «Grosskinder» weg.
Noch ich als 62-jähriger Homosexueller wurde mit einer latenten Angst vor Ausgrenzung und Benachteiligung sozialisiert. So lässt sich wohl auch erklären, dass oft bei Schwulen und Lesben im Alter die Angst vor Einsamkeit und Krankheit im Vordergrund steht und über den «grössten Erfolgen» steht. Oft musste die ältere Generation von Schwulen und Lesben darum kämpfen, offen und stolz leben zu können.
Für das Zusammenleben über alle Bevölkerungsgruppen und Generationen hinweg, ist die Fähigkeit, sich in andere einfühlen zu können, wichtig. Allerdings sind 77 Prozent der Befragten der Meinung, dass das Einfühlungsvermögen in der Gesellschaft eher abnimmt. Auch hier geht das Berner Generationenhaus wiederum von einem binären Geschlechtersystem aus: So seien gemäss Umfrage Frauen einfühlsamer als Männer.
Das «Generationen-Barometer» des Berner Generationenhauses soll zu einem langfristigen Monitoring über die Beziehungen der Generationen untereinander werden. In diesem Jahre ist die dritte entsprechende Umfrage veröffentlicht worden. Für das Generationen-Barometer 2023 hat das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag des Generationenhauses insgesamt 2’787 Personen ab 18 Jahren befragt und die Antworten ausgewertet.
Das Berner Generationenhaus befindet sich am Bubenbergplatz in unmittelbarere Nähe des Bahnhofs und ist ein öffentlicher Ort der Begegnung und des gesellschaftlichen Dialogs. Mit seinem vielschichtigen Angebot leistet es einen sozialen und kulturellen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es ist eine Institution der Burgergemeinde Bern.
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