Mein Wort zum Heiligabend: Ohrfeige des Bundesrates gegen nicht binäre Menschen

Es hätte ein grossartiges Weihnachtsgeschenk werden können – aber es wurde nix daraus – denn der Bundesrat steckt irgendwie im binären Geschlechtermodell fest. Das geht jedenfalls aus einer vom Bundesrat letzte Woche veröffentlichten Rechtfertigung hervor.

Das binäre Geschlechtermodell sei in der schweizerischen Gesellschaft «nach wie vor stark verankert», ist der Bundesrat sicher. Und er verkündet: «Die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Einführung eines dritten Geschlechts oder für einen generellen Verzicht auf den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister sind derzeit nicht gegeben».

Und wie ich zwischen den Zeilen der Verkündung des Bundesrates lese, gibt halt die Einführung einer dritten Option oder der Verzicht auf die Einteilung in nur gerade «männlich» und «weiblich» wahnsinnig viel Arbeit. Nämlich «zahlreiche Anpassungen der Gesetze von Bund und Kanton» und zudem sei ja auch nicht erlaubt, bei der Geburt etwas anderes als «männlich» oder «weiblich» einzutragen – und offen lassen geht sowieso nicht – alles muss seine Ordnung haben – nämlich. Und das sei wichtig, da an «den Eintrag des Geschlechts zahlreiche rechtliche Konsequenzen geknüpft sind». Viel Arbeit, gibt das … denn auch die Bundesverfassung müsste angepasst werden, da diese «namentlich im Bereich der Militär- und Ersatzdienstpflicht keine Regelung für Personen enthält, die keinen Geschlechtseintrag haben oder die mit einem anderen Geschlecht als männlich oder weiblich im Register eingetragen sind». Ich frage mich: Werden Gesetze nicht generell laufend angepasst?

«Aufgrund seiner Ausführungen kommt der Bundesrat zum Schluss, dass die Auswirkungen eines neuen Geschlechtermodells in der Gesellschaft noch nicht ausreichend diskutiert wurden und deshalb die Voraussetzungen für die Einführung eines dritten Geschlechts oder den generellen Verzicht auf den Geschlechtseintrag derzeit nicht gegeben sind», glaubt der Bundesrat.

Eine Frage der Wahrung ihrer Grund- und Menschenrechte

Der Bundesrat fasst in der eingangs erwähnten Verkündigung in Form einer Medienmitteilung den soeben veröffentlichten Bericht «Einführung eines dritten Geschlechts oder Verzicht auf den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister – Voraussetzungen und Auswirkungen auf die Rechtsordnung» zusammen, der vor vier Jahren vom Nationalrat aufgrund von zwei Postulate der Nationalrätinnen Sibel Arslan und Rebecca Ruiz verlangt wurde. Die auferlegte Aufgabe war klar: Der Bundesrat sollte aufzeigen, welche Gesetzesänderungen nötig wären und was die Konsequenzen wären, wenn im Personenstandsregister eine dritte Option eingeführt würde oder wenn generell das Geschlecht nicht mehr erfasst würde.

Spannend: Vor zwei Wochen veröffentlichte der (gleiche) Bundesrat einen Bericht zur Gesundheit von queeren Personen und stellte darin fest, dass Stigmatisierung und Diskriminierung besonders bei nicht binären Personen zu einer klar schlechteren (psychischen) Gesundheit führen.

Transgender Network Switzerland bringt die ablehnende Haltung des Bundesrates in einer Medienmitteilung auf den Punkt: «Die rechtliche Anerkennung von nicht binären Menschen ist eine Frage der Wahrung ihrer Grund- und Menschenrechte. Dies ist eine verfassungsrechtliche Aufgabe der Politik, unabhängig der Anzahl betroffener Menschen oder persönlicher Meinungen von Bundesratsmitgliedern».

«Der Entscheid des Bundesrats verkennt die Realität der Existenz non-binärer Menschen in der Gesellschaft», sagt Max Kranich, Co-Präsident der SP queer. «Es gibt bereits zahlreiche Organisationen, die non-binäre Menschen in ihren Datenbanken führen. Dass sie dies nun weiterhin ohne angemessene rechtliche Grundlage tun müssen, erschwert ihre Arbeit unnötig.»

Und ich habe das grosse Bedürfnis, dem Bundesrat das mit dem Deutschen Buchpreis und dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnete «Blutbuch» von Kim de l’Horizon als Geschenk unter den Weihnachtsbaum zu legen.

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